„Feminismus ist die radikale Auffassung, dass Frauen Menschen sind.“ (Marie Shear, 1986). Die Zeit solcher knappen Definitionen des Begriffs sind längst vorbei. Dafür ist Feminismus viel zu divers. Wo Feminismus heute steht und wie team nushu sich in diesem Kontext aufstellt, liest du hier.
„Bist du Feminist*in und wie ist deine Definition von Feminismus?” lautet eine Frage in unserem nushu podcast. Es stellt sich raus: Ein einfaches Ja oder Nein scheint da nicht mehr ausreichend. Die Frauenbewegung hat sich in den vergangenen Jahrzehnten weltweit sehr breit ausdifferenziert. Jede Strömung gestaltet ihre Aufgabe als Feminismus-Task-Force ein wenig anders aus. Das verunsichert vermutlich manche. In der Folge wollen sie sich dem Feminismus nur noch dann anschließen, wenn sie sich richtig verstanden wissen. Gibt es also ein Positionierungsproblem?
In Deutschland melden sich ab und an konservative Stimmen zu Wort, die den Feminismus hier als überflüssig sehen. Das Wahlkampfjahr 2021 in Deutschland ist geprägt vom Fall einer jungen Frau. Sie hat zwei Kinder und ist Spitzenpolitikerin. Sie traut sich das Amt der Bundeskanzlerin zu. Im Netz schlägt ihr extremer Hass entgegen. Lügen und ein gefälschtes Nacktbild werden hunderttausendfach geteilt. Sie bekommt Personenschutz.
Manchmal hilft ein Blick zurück, um zu verstehen, was gerade los ist. Am 26.08. startet der Film „Die Unbeugsamen“in den deutschen Kinos. Er porträtiert die Pionierinnen der Bonner Republik in den 80ern: Rita Süssmuth (CDU), Herta Däubler-Gmelin und Renate Schmidt (SPD), die CSU-Abgeordnete Ursula Männle, die Grünen Christa Nickels und Petra Kelly. In einer Zeit, als eine sicht- und hörbare Frau in der Politik extreme Beunruhigung auslöste, oder ausgelacht wurde.
Die Forderungen der feministischen Bewegung wurden lange von einer Emotion getragen: Wut. Und die war auch nützlich. Freiheitsrechte als Menschenrechte für Frauen zu reklamieren, war anfangs extrem unbequem. Wer Forderungen nach Wahlrecht, Bildung oder Lohngleichheit für Frauen stellte, sägte an den Rollenbildern der Gesellschaft.
Den vier Frauen (gegenüber 61 Männern) im Parlamentarischen Rat 1948/49 – Dr. Elisabeth Selbert, Frieda Nadig, Helene Weber und Helene Wessel – ist es zu verdanken, dass unsere Verfassung in Absatz 2 des Artikel 3 GG festhält: ‘Männer und Frauen sind gleichberechtigt.’ Erst 1994 wird ergänzt: ‘Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.‘ War damit alles geritzt? Noch lange nicht.
Wir befinden uns mitten im Rauschen des third-wave-feminism, der dritten Frauenbewegung, die Anfang der 2000er aus den USA bei uns ankam. Sie orientiert sich inhaltlich stark an den Forderungen der zweiten Frauenbewegung, die in Deutschland in den 1960ern beginnt. Die Liste der Dinge, die es noch zu tun gibt, wird länger. Die Punkte Chancengerechtigkeit im Beruf, Lohngleichheit und Abbau von Rollenbildern werden unter anderem ergänzt durch Calling out von Alltagssexismus und Machtmissbrauch und dem Aufbrechen stereotyper Leitbilder für Geschlechteridentität. Autorinnen wie Kübra Gümüşay und Margarete Stokowski zünden mit Büchern wie „Sprache und Sein“ und „Untenrum frei“ ganze Diskussionsforen an. Es wächst – persönliche Einschätzung – die immer größere Überzeugung heran, dass wir gemeinsam stärker sind.
Inzwischen sind die vielen Gesichter der feministischen Idee weltweit sichtbar: der liberale Feminismus, den konservative Feminismus, der Schwarze Feminismus und intersektionale Feminismus; es gibt den sozialistischen Feminismus, den Queer-Feminismus, den Anarchafeminismus, den Netz- und Ökofeminismus. (Hier fehlt noch was? Schick deine Ergänzung an uns!
Trotzdem ist immer noch Fakt: Je höher die Position im Unternehmen, desto weniger Frauen sind vertreten. Angehende Unternehmerinnen haben weniger Zugang zu Kapital als Gründer. Kinder sorgen in erster Linie bei ihren Müttern, nicht bei ihren Vätern, für Brüche im Erwerbsverlauf. Und die Pandemie hat noch einmal eindrucksvoll gezeigt, wie schnell Prozesse der Gleichberechtigung rückwärts laufen, wenn die Bude brennt. Die Reise ist also noch nicht vorbei ist. Noch LANGE nicht. Weil es noch viel zu tun gibt. Und weil wir unseren Einfluss auch für die einsetzen müssen, die noch nicht so sichtbar sind und gehört werden.
In unserem Leitgedanken halten wir es im team nushu mit Gloria Steinem: „A feminist is anyone who recognizes the equality and full humanity of women and men.” Unser Feminismus steht erst einmal für nichts weiter als das Eintreten für die gesellschaftliche, politische und ökonomische Chancengleichheit von Menschen. Ausgehend davon werden wir nicht müde, uns ganz besonders für Parität von Frauen auf allen Ebenen der Wirtschaft einzusetzen.
Es gibt die Kritik, dass Frauennetzwerke sich Solidarität auf die Fahne schreiben und sich dabei doch nur den Karrierechancen Einzelner widmen. Agree to disagree. Wir sind die Kategorie Dienstleistungs-Feminismus mit Wirtschaftsschwerpunkt. At your service! Wir vernetzen dich neben individuellem Karrieresupport unter einem gemeinsamen Ziel: Mehr Sichtbarkeit von Frauen und Parität in der Wirtschaft zu erreichen.
Damit verdienen wir natürlich auch ein bisschen was: Stichpunkt Mitgliedsbeitrag. Ist das unsolidarisch? Das Eintreten für die feministische Sache ist nur in seltenen Fällen ein Charity-Projekt. In unserem Fall müssen Gehälter und Mieten bezahlt werden. Als Netzwerk mit digitaler und analoger Infrastruktur, das auf Austausch, Wissensgewinn und gemeinsame Weiterentwicklung setzt, tätigen wir Investitionen in Technologie und Inhalte.. Natürlich gibt es immer die Möglichkeit, sich persönlich an uns zu wenden, wenn es gerade schwierig ist. In unserem nushu pay pitch findest du außerdem gute Argumente, warum dein*e Arbeitgeber*in deinen Mitgliedsbeitrag übernehmen sollte.
Es ist gibt die häufig formulierte These, alles selbst schaffen zu können, wenn man sich nur genug anstrengt. Das wäre schön, aber ganz so einfach ist es nicht. Was aber definitiv immer eine gute Idee ist: sich zusammen tun, sich unterstützen, sich austauschen und einem gemeinsamen Ziel immer näher kommen. Darf man sich dafür auch einmal kurz ganz auf sich selbst konzentrieren? Klar! Sollte man im Blick behalten, die Startbedingungen für andere zu vereinfachen? Absolut und unbedingt.
Feminismus hat eine wichtige und andauernde Aufgabe in unserer Demokratie. Aber als bloße Idee hätte er niemals die Meilensteine der Gleichberechtigung durchgesetzt: Dafür brauchte es diejenigen, die für seine Forderungen eintraten. Und nicht lockerließen.
Es ist notwendig, zukunftsorientiert und auch einfach ziemlich lässig, Feminist*in zu sein. Manchmal reicht dafür auch schon: Wählen gehen!
Die nushu crew mit Melly
Beruflich hat sie schon einiges erlebt – und weiss daher ganz genau, was sie will: Melanie aka Melly hat in Agenturen, Startups und in der Beratung gearbeitet und sich noch nie auf klassischem Weg auf einen Job beworben. Sie schwört auf die Kraft eines starken Netzwerkes und hat diese Überzeugung mit Gründung von nushu zementiert. Neben ihrer Tätigkeit als Geschäftsführerin von nushu ist Melly außerdem Mentorin bei Google Launchpad, Beirätin der Unternehmensberatung 55birchstreet, Mitglied des PwC Unternehmerbeirates und Business-Insiderin bei XING.