Kirstin Hahne wagte 2018 nach 15 Jahren Festanstellung den beruflichen Neustart – mit bewusster Aus- und Bedenkzeit dazwischen. „Ohne das, was sich durch die damalige interne Umstrukturierung für mich an Veränderungen in meinem Job ergeben hat, wäre ich nicht gegangen.“ Kirstin ging und hat sich auf die Suche nach ihrem Weg gemacht – eine Entscheidung, die sie heute für die beste ihres Lebens hält! Was ihr dabei geholfen hat? Eine klare Haltung, ein gesunder Optimismus und der Mut, auf sich selbst und den eigenen Bauch zu hören.
Kirstin ist 39 Jahre alt und hat im Sommer 2018 nach 15 Jahren in einem großen Konzern beruflich neu gestartet. Seitdem arbeitet sie freiberuflich als Trainerin und selbstständig als Coach. Bis Ende letzten Jahres war sie zusätzlich in Teilzeit als HR Managerin bei der New Work SE und seit Juni diesen Jahres ist sie die neue und gleichzeitig erste Diversity Managerin bei bonprix, ebenfalls in Teilzeit. Kirstin lebt in Hamburg, liebt gutes Essen und gute (argentinische) Rotweine. Sie umgibt sich gerne mit Menschen und das nicht nur beruflich, sondern auch privat. Ihre schönste und bisher unvergesslichste Erfahrung war eine dreimonatige Reise durch Mittelamerika, die sie alleine gemacht hat.
Mir ist es wichtig, bezogen auf den Umgang mit Veränderungen Mut zu machen. Nicht jede Veränderung ist erwünscht oder selber herbeigeführt. Manchmal kommt der Impuls von außen. Wenn die Veränderung sich gut anfühlt: super. Wenn nicht: tu etwas. Ich erlebe oft, dass Menschen die Verantwortung für das eigene Unwohlsein bei anderen und in äußeren Umständen suchen. Und dann lieber in einer angeblichen Komfortzone bleiben, die gar nicht mehr komfortabel ist. Und hoffen, dass jemand anderes sie aus dieser erlöst. Ich halte es für sinnvoller und vor allem deutlich befriedigender, selber aktiv zu werden, die Zügel in die Hand zu nehmen, eigene Entscheidungen zu treffen und die Veränderung zu seinen eigenen Gunsten zu gestalten. Und so sogar aus einer Krise etwas Gutes zu ziehen, und sich nicht zu ihrem Opfer zu machen. Und ja, dafür braucht es manchmal Mut.
Ich kam nach 14 Jahren im Rahmen einer Umstrukturierung in die Situation, einen Chef zu bekommen, mit dem ich von Anfang an meine Differenzen hatte. Ich hatte bisher mit Kolleg*innen, Mitarbeiter*innen und Chefs immer gute Wege der Zusammenarbeit gefunden. Hier schien es das erste Mal nicht möglich. Mir wurde in einer monatelangen Phase der Auseinandersetzung klar, dass meine Werte, meine Art zu arbeiten, meine Kompetenz, meine Vorstellung von Führung und das Profil, das ich mir in all den Jahren erarbeitet hatte, anders als von bisherigen Chefs nicht akzeptiert und wertgeschätzt wurden. Mir war klar, dass ich unter diesen Umständen nicht arbeiten würde. Es passte einfach nicht. Ich habe also Entscheidungen getroffen: Zu gehen. Sicherheit aufzugeben – nicht nur finanziell. Eine bewusste Auszeit zu nehmen. Auf das zu hören, was ich wirklich will. Und dann noch einmal ganz neu anzufangen.
Wie gesagt: Ich möchte vor allem Mut machen. Mut, einen klaren Standpunkt und eine klare Haltung zu entwickeln und aus dieser Haltung heraus klare Entscheidungen zu treffen. Meine Geschichte ist keine, die man in den großen Podcasts hört. Aber sie ist eine, die aus einer Situation heraus entstanden ist, in die jede*r von uns geraten kann. Ich möchte Impulse setzen, inspirieren, den Anstoß liefern, aus einer unguten Situation auszubrechen oder auch nur endlich den schon lange gehegten aber noch nicht gelebten Traum zu leben. Bei mir kam beides zusammen: Ich wollte raus aus dem, was mir nicht mehr gut getan hat und habe mich getraut, noch einmal ganz von vorne anzufangen. Und ich kann mich nur wiederholen: Eine Veränderung aktiv zu gestalten und sich nicht zu ihrem Opfer zu machen und auf die Hilfe anderer zu hoffen, ist für mich der Schlüssel.
Ich glaube, dass sowohl Männer als auch Frauen in nicht mehr komfortablen Komfortzonen hängenbleiben. Ich kann mir aber vorstellen, dass Frauen länger versuchen, „auszuhalten” und sich die „Schuld” für eine verfahrene Situation oder Krise geben. Sie trauen sich außerdem den Schritt ins Ungewisse möglicherweise weniger zu als Männer. Und: Es gibt Studien, die belegen, dass Frauen sich auf eine Stelle nur bei 100% Match der Anforderungen zum eigenen Profil bewerben während Männern schon 60% reichen. Eine solche Denke gepaart mit einer „Kompetenz-Demenz” und Zweifeln an den eigenen Stärken erhöht die Hemmschwelle für einen Neuanfang und ist nicht hilfreich beim Nachdenken über berufliche Alternativen.
Viele Menschen fanden mich mutig, als ich noch das Gefühl hatte “Wieso mutig? Etwas anderes kommt für mich nicht in Frage.”. Während der Entscheidungsphase vor drei Jahren habe ich mich oft mit den Ängsten anderer konfrontiert gesehen. Insbesondere das Thema finanzielle Sicherheit war für viele ein hartes Argument. Und auch ich hatte das natürlich im Kopf. Ich habe später oft das Feedback bekommen, dass meine Geschichte inspirierend ist und Mut macht. Als das Ganze auch für mich noch frischer und damit mit mehr Emotionen behaftet war, und ich dann von dem Thema erzählt oder Vorträge gehalten habe, habe ich oft Tränen in den Augen der Zuhörer*innen – egal ob männlich oder weiblich – gesehen. Und dann wieder ein Lächeln, wenn sie hörten, wie ich damit umgegangen bin und wie es mir jetzt und mit meiner Entscheidung geht. Und auch ich hatte die Tränen. Und habe schon lange das Lächeln.
Für den Umgang mit Veränderung und die beschriebene Phase hatte ich kein Role Models. Vielleicht hätte mir das in manchen Momenten geholfen. Vielleicht war es aber auch gut, keine zu haben. Ich konnte und musste mich auf mich konzentrieren. Ich habe in der ganzen Phase zwischen der Entscheidung, das bisherige Unternehmen zu verlassen und dem Beginn mit den neuen Themen gelernt, auf mich selber zu hören. Und auf mich zu vertrauen. Es dauerte ehrlich gesagt eine Weile, bis ich mir selber vertraut habe. Und ich beim „auf mich hören” auch wirklich meine eigenen Antworten bekam. Ich habe gemerkt, wie sehr ich bisher von den Erwartungen und Mustern anderer in meinem Umfeld beeinflusst war. Ich würde also weniger sagen, dass mich während dieser Phase der Veränderung jemand besonders geprägt hat, sondern vielmehr, dass ich mich anders und besser kennengelernt habe. Und die Phase mich geprägt hat.
Apropos Vorbilder: Im Podcast ,,Rolemodels“ findet man immer wieder schöne Stories. Mein Gefühl ist, dass es gerade so viele Frauen – und natürlich auch Männer – gibt, die aus Überzeugung Unternehmen gründen, weil sie strukturell anders arbeiten wollen, weil sie an ein bestimmtes Produkt glauben, weil sie eine bestimmte Message transportieren wollen – und die meisten dieser Frauen haben vorher in angestellten Jobs gearbeitet. Sie geben ihre Sicherheit auf, um für ihre Überzeugung zu kämpfen. Und sie geben teilweise nicht nur finanzielle Sicherheit auf, sondern investieren zusätzlich noch. Ich glaube, was ich mit solchen Stories und Beispielen gemeinsam habe, ist eine klare Haltung, der Glauben daran, dass es klappen wird und ein Häppchen Mut.
Die Geschäftsführerin des Trainernetzwerks, für das ich freiberuflich arbeite, gibt uns gerne mit „Du bist dein bestes Tool”. Und ehrlich gesagt habe ich auch in dieser zum Teil sehr unschönen und schmerzhaften Phase der beruflichen Veränderung sehr viel auf mich selber vertraut. Und insbesondere bei der Frage was ich will und was ich nicht will, was ich bereit bin zu geben und auch aufzugeben, war ich meine einzige zuverlässige “Informationsquelle”. Denn was ich will und wie sich bestimmte Situationen und Entscheidungen anfühlen, kann nur ich für mich beantworten. Darüber hinaus helfen Expert*innen wie in meinem Fall ein wirklich fantastischer Anwalt für Arbeitsrecht, die unemotional schauen, was die richtige Strategie sein kann. Und bei der Entscheidung, als Trainerin und Coach arbeiten zu wollen, habe ich natürlich auch mit Menschen gesprochen, die als Trainer*in und Coach arbeiten.
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Fotocredit: Christian Piel