Lebensqualität bezieht sich auf das allgemeine Wohlbefinden und den Grad der Zufriedenheit¹, die eine Person mit ihrer individuellen Lebenssituation hat. Lebensqualität verknüpft objektiv messbare Faktoren wie beispielsweise Gesundheit oder Zugang zu Bildung und Ressourcen mit subjektiven Zielsetzungen. Der Grad an Lebensqualität ist niemals statisch, sondern ändert sich mit den politischen, wirtschaftlichen oder auch persönlichen Kontexten der Menschen, die darin leben.²
Die Wissenschaft unterscheidet klar zwischen Lebensqualität und Lebensstandard. Der Lebensstandard ist direkt mit materiellem Wohlstand verknüpft (Was gehört mir? Was kann ich mir leisten?) und für viele von uns nur eher schwer zu beeinflussen (beispielsweise aufgrund struktureller Lohnungerechtigkeit). Ein hoher Lebensstandard setzt neben dem Wohlstandsgebot zudem einen gewissen Verbrauch von Ressourcen voraus (Stichwort Konsum). Lebensqualität steht hingegen nicht in direktem Zusammenhang mit Wohlstand und verfolgt den Schutz von persönlichen oder allgemeinen Ressourcen mit Maßnahmen, die du selbst ergreifen kannst.³
Lebensqualität als Konzept hat viele Dimensionen. Die individuelle Lebensqualität wird von Mensch zu Mensch unterschiedlich wahrgenommen. Sogar bei vergleichbaren Lebenswirklichkeiten. Dies hängt mit subjektiven Kriterien wie dem eigenen Wertesystem oder Erwartungen an die eigene Person zusammen. Trotzdem gibt es natürlich auch eine Liste objektiv messbarer Faktoren.
In dieses Feld gehören beispielsweise der Zugang zu medizinischer Versorgung, die Möglichkeit, regelmäßig Sport zu treiben und sich gesund zu ernähren und die Freiheit von chronischen Krankheiten oder Behinderungen. Auch die Hoheit über den eigenen Körper in puncto (reproduktives) Selbstbestimmungsrecht oder die Qualität des eigenen Lebensendes durch Angebote der Palliativversorgung⁴ zählen dazu.
Dein emotionales Wohlbefinden ist auf ein gesellschaftliches und persönliches Umfeld angewiesen, das es achtet und schützt. Wichtig ist ein Gefühl der Zugehörigkeit und unterstützende Beziehungen zu Familie und Freunden. Auch die Fähigkeit zur eigenen Stressbewältigung (wie Meditationstechniken), Anleitung zur Selbsthilfe (beispielsweise durch therapeutische Betreuung) und der freie Zugang zu psychosozialen Diensten zahlen in unser emotionales Wohlbefinden ein.
Eine extreme Beeinträchtigung ist Einsamkeit: Alleinlebende, Alleinerziehende, Armutsbetroffene, Menschen mit Migrationshintergrund und Menschen hohen Alters (hier vor allem Frauen) haben ein erhöhtes Risiko, von ihr betroffen zu sein.⁵
Auch wenn Werte wie Freiheit und Solidarität wieder wichtiger als Wohlstandsgewinn werden, braucht es eine gewisse finanzielle Stabilität, damit du deine Grundbedürfnisse weitestgehend sorgenfrei decken kannst.⁶ So kannst du Nahrung oder Medikamente kaufen, ein Dach über dem Kopf bezahlen und beispielsweise durch Sparen in die Zukunft planen. Finanzielle Not kann zudem Depressionen, Angstzuständen und stressbedingte Gesundheitsprobleme auslösen. ⁷
Ein Leben in Sicherheit (auch geschützt vor Umweltgefahren wie Luftverschmutzung oder Wasserverunreinigung), die Freiheit von Gewalt oder Belästigung und ein diskriminierungsfreier Zugang zum Recht zahlen positiv in deine Lebensqualität ein. Das Schließen des Gender Data Gaps⁸ kann insbesondere in Städten dazu beitragen, Infrastruktur und Verkehrsangebote an die besonderen Sicherheitsbedürfnisse von Frauen und Mädchen anzupassen (wer benutzt welche Wege wann?).
Zugang zu sauberer Luft, frischem Wasser und Grünflächen: unsere Umwelt ist ein gemeinsames Gut und soll uns gesund halten. Geht es unserer Umwelt schlecht, ist unsere Lebensqualität schnell und sehr gering bemessen. Die Prognosen zu Extremwetter, Missernten, Bürgerkriegen und Massenflucht sind allen zugänglich, doch die vorgeschlagenen Lösungen spalten die Lager (Solution-Aversion)⁹. Eine soziale Klima- und Umweltpolitik und wissenschaftsbasierte Maßnahmen, einfach erklärt, können eine Grundlage für breit akzeptierten Klimaschutz sein.¹⁰
Ob du das Recht hast, zu wählen, oder die Möglichkeit, ein öffentliches Amt zu ergreifen, oder auch einfach nur auf ein kostenloses Nahverkehrsticket. Die Möglichkeit zur Teilnahme am öffentlichen Leben und seinen Dienstleistungen kann deine Lebensqualität positiv beeinflussen. Es gibt einige Anhaltspunkte dafür, dass die Lebensqualität in demokratischen Staaten im Durchschnitt höher ist als in autokratischen Staaten.¹¹ Dies wird unter anderem auf die Autonomie aller Einzelnen, die Rede- und Meinungsfreiheit, rechenschaftspflichtige Regierungen und Partizipationsmöglichkeiten zurückgeführt.
Ein durchlässiges Angebot für Bildung und berufliche Entwicklung sowie die Möglichkeit, deinen Hobbys und Interessen nachzugehen, können dein persönliches Wachstum und damit auch deine Lebensqualität immens fördern. Viele Staaten und Unternehmen weltweit haben das Konzept Lebenslanges Lernen ¹² inzwischen in ihren Strategiepapieren und Etats verankert. Motivation, Zeit oder Geld sind häufig genannte Hindernisse, die Menschen bei der Aufnahme einer Weiterbildung im Wege stehen. ¹³
Wie flexibel du dich um persönliche, familiäre und berufliche Dinge kümmern kannst, hat Einfluss auf deine Lebensqualität. Im Zusammenhang mit der Forderung nach Gleichberechtigung ¹⁴ begegnet dir deswegen immer häufiger der Begriff der Zeitgerechtigkeit. Er gehört zur Vision einer neuen Zeitkultur ¹⁵, die verfügbare Zeit mit Autonomie und Macht verbindet. Die Vier-Tage-Woche¹⁶ ist hier eine sinnvolle Alternative zum 40-Stunden-Vollzeitmodell oder zum Teilzeitmodell, das für Frauen häufig zur Falle wird.¹⁷
Wie du deine persönliche Lebensqualität beurteilst, wird neben den messbaren Faktoren wie beispielsweise Gemeinschaft oder Weiterentwicklung stark von deinen Werten und Prioritäten beeinflusst. Wenn du weißt, was für dich wichtig ist, kannst du Maßnahmen ergreifen, um deine Lebensqualität in deinem Sinne zu verbessern. Hier kommen fünf Steps, mit denen du deiner Definition von persönlicher Lebensqualität näher kommen kannst.
Was ist dir im Leben gerade am wichtigsten? Dazu können beispielsweise Themen wie mehr Zeit für Freunde, Selbstbewusstsein aufbauen¹⁸, gesunde Ernährung oder etwas Neues lernen gehören.
Mach kurz ein Standbild deiner aktuellen Lebenssituation und identifiziere Bereiche, die dich erfüllen, und Bereiche, die dich möglicherweise unzufrieden machen. Welche stimmen mit deinen Werten überein, welche eher nicht?
Teile deine Einschätzung und deine definierten Ziele für gezieltes Feedback mit deinen Liebsten oder suche dir therapeutischen Rat. Auch Netzwerken¹⁹, Mentoring²⁰ und Coaching kann eine gute Gelegenheit zum vertrauensvollen Austausch bieten.
Setze dir kleine und in der Realität messbare Ziele, wie du deine Lebensqualität in bestimmten Bereichen schrittweise verbessern kannst.
Deine Definition von Lebensqualität wird sich im Laufe deines Lebens höchstwahrscheinlich einige Male. Sei also offen für Neubewertungen, wenn du und deine Kontexte sich verändern.
Zur Darstellung der globalen Lebensqualität werden mehrere Statistiken verwendet, die sich hauptsächlich an den Faktoren Gesundheit, Bildung und Einkommen und an Daten zum durchschnittlichen Lebensstandard und der Umweltbedingungen eines Landes oder einer Region orientieren. Dazu gehören beispielsweise
Der HDI ist eine vom Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) zusammengesetzte Statistik aus Daten zu Gesundheit, Bildung und Lebensstandard. Gemessen wird dieser seit 1990 und zeigt seitdem weltweit steigende Daten. Also steigende Lebenserwartungen, ein wachsendes Maß an Wissen und höhere Lebensstandards. Der jüngste Bericht über die menschlichen Entwicklung (Human Development Report 2021/2022) zeigt nun zum ersten Mal in zwei aufeinanderfolgenden Jahren einen weltweit einen leicht sinkenden Wert.²² Bei der Erstauflage des HDI 1990 führten die Vereinigten Staaten, kommen jetzt aber nur noch auf Rang 21. In 2022 führt die Schweiz das Feld, knapp vor Norwegen und Island. Deutschland belegt Rang neun und rutscht seit 2015 fünf Plätze ab.
Seit 2006 misst der Global Gender Gap Index die geschlechtsspezifischen Lücken für die Schlüsseldimensionen wirtschaftliche Teilhabe, Bildung, Gesundheit sowie politische Teilhabe. In 2022 führt Island die Liste von 146 Ländern an und schließt mehr als 90 % seiner geschlechtsspezifischen Lücken. Die ersten zehn Länder haben laut Report immerhin mehr als 80 % ihrer geschlechtsspezifischen Unterschiede beseitigt. Deutschland (Platz 10) kehrt nach 14 Jahren in die Top 10 zurück. Vor allem die politische Teilhabe hat sich deutlich verbessert, der Wert für wirtschaftliche Teilhabe verschlechtert sich gegenüber 2021. Nur vier Länder in den Top 10 liegen außerhalb Europas: Neuseeland (4.), Ruanda (6.), Nicaragua (7.) und Namibia (8.).
Der MPI erfasst akute Armut vor allem in Ländern mit Entwicklungsbedarf und kombiniert Informationen über diverse Entbehrungen, die Menschen in Armut betreffen. Dafür kumulierten Forscher*innen die Daten aus zehn Jahren (2010-2020), angesetzt bei einer Armutsquote von 1,90 Dollar pro Tag. Akut Armutsbetroffene, die sich vor allem in ländlichen Gebieten aufhalten, bekommen weniger Gesundheitsaufklärung und -versorgung, haben schlechtere Bildungszugänge und unsichere Arbeitsverhältnisse und leiden verstärkt unter Umweltkatastrophen.
Seit 2012 wird der WHR vom Sustainable Development Solutions Network (SDSN) der UN herausgegeben. Der Glücksreport stuft 156 Länder nach ihrem Glücksniveau ein. Eine Kernerkenntnis des WHR 2022 ist, dass die Lebenszufriedenheit bei den jungen Menschen während der Pandemie (2021 und 2022) sank, während sie bei den über 60-jährigen stieg. Eine der schöneren Nachrichten: In jeder Weltregion stieg der Anteil der Menschen, die Geld für wohltätige Zwecke spenden, Fremden helfen und sich ehrenamtlich engagieren, signifikant. Insgesamt ist der weltweite Durchschnitt aktuell um ein Viertel höher als vor der Pandemie.
¹ https://leitbegriffe.bzga.de/alphabetisches-verzeichnis/lebensqualitaet-ein-konzept-der-individuellen-und-gesellschaftlichen-wohlfahrt/
² https://www.britannica.com/topic/quality-of-life
³https://www.grin.com/document/80879#:~:text=Der%20Lebensstandard%20(level%20of%20living,)%20und%20Selbstverwirklichung%20(being); https://www.teamnushu.de/magazin/lohngerechtigkeit-entgelttransparenzgesetz
⁴ https://www.dgpalliativmedizin.de/images/stories/WHO_Definition_2002_Palliative_Care_englisch-deutsch.pdf
⁵ https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/themen/engagement-und-gesellschaft/strategie-gegen-einsamkeit/strategie-gegen-einsamkeit-201642
⁶ https://www.zeit.de/2023/04/weltwirtschaftsforum-davos-globalisierung-wohlstand?wt_zmc=emanew.int.zabo.zbrief.zb_wissen….x&utm_medium=email&utm_source=zbrief&utm_campaign=zb_wissen&utm_content=02w0011k0347Inhemanew2005f410641638094&wt_cc3=02w0011k0347Inhemanew2005f410641638094
⁷ https://taz.de/Wirkung-von-Armut-auf-Psyche/!5794489/
⁸ https://www.teamnushu.de/magazin/gender-data-gap
⁹ https://www.teamnushu.de/magazin/confirmation-bias
¹⁰ https://www.volksverpetzer.de/aktuelles/luisa-neubauer-attackiert-nichts-verstanden/
¹¹ https://www.democracywithoutborders.org/de/22553/studien-zeigen-demokratie-funktioniert-nachweislich-besser/
¹² https://www.teamnushu.de/magazin/lebenslanges-lernen
¹³ https://www.teamnushu.de/tag/lebenslanges-lernen
¹⁴ https://www.teamnushu.de/magazin/gleichberechtigung
¹⁵ https://www.ipg-journal.de/aus-meinem-buecherschrank/artikel/eine-frage-der-balance-6432/
¹⁶ https://www.teamnushu.de/magazin/vier-tage-woche
¹⁷ https://www.teamnushu.de/magazin/teilzeitfalle
¹⁸ https://www.teamnushu.de/magazin/selbstbewusstsein-staerken
¹⁹ https://www.teamnushu.de/magazin/netzwerken-lernen
²⁰ https://www.teamnushu.de/magazin/mentorin-finden
²¹ https://hdr.undp.org/data-center/country-insights#/ranks
²² https://www.undp.org/de/germany/news/undp-bericht-ueber-die-menschlichen-entwicklung-2022
²³ https://www.weforum.org/reports/global-gender-gap-report-2022/
²⁴ https://hdr.undp.org/system/files/documents/2020mpireportenpdf.pdf
²⁵ https://worldhappiness.report/ed/2022/foreword/