Was ist Gleichberechtigung?
Gleichberechtigung wird heute im Sinne des Gleichheitssatzes der UN-Menschenrechtserklärung verstanden: „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren.“¹ Der Anspruch soll eigentlich alle Gender mit einschließen. Trotzdem fehlen beispielsweise vielen Frauen weltweit noch die Zugangsmöglichkeiten zu Rechten, Arbeit, Bildung und Ressourcen. Sie können ihr Leben noch nicht frei, unversehrt und selbstbestimmt führen.
Auch in Deutschland ist trotz Art.3 Abs.2 GG eine faktische Gleichberechtigung von Mann und Frau in wichtigen Lebensbereichen noch nicht erreicht. Hindernisse sind Faktoren wie Ehegattensplitting, Thomas-Kreislauf, Teilzeitfalle, Gender Pay Gap und Gender Care Gap.
Gleichberechtigung ist nicht Gleichstellung²
Die Gleichstellung möchte durch politische Maßnahmen und staatliche Vorgaben Benachteiligungen von gesellschaftlichen Gruppen korrigieren. Im Gegensatz dazu richtet die Gleichberechtigung das Augenmerk auf die Gerechtigkeit jedem einzelnen Menschen gegenüber.³
Als Eingriff in die Gleichberechtigung⁴ gelten sowohl Diskriminierung (jemand wird wegen sachlich nicht gerechtfertigter Gründe rechtlich benachteiligt) wie Privilegierung (jemand wird wegen sachlich nicht gerechtfertigter Gründe bevorzugt).
„Die Frau ist frei geboren …“: Recht auf gleiches Recht?
Vor 230 Jahren bringt die Frauenrechtlerin Olympe de Gouges (*1748-1793) zur Zeit der französischen Revolution mit ihrer Deklaration „Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin“ die Gleichberechtigung von Mann und Frau auf den Tisch.⁵ Und damit die Nationalversammlung gegen sich auf. Artikel 1 sollte nämlich lauten: „Die Frau ist frei geboren und bleibt dem Manne gleich an Rechten“. 1793 wird de Gouges erst ein Schauprozess gemacht, dann wird sie hingerichtet.⁶
Art.3 Abs. 2, S.1 Grundgesetz: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“⁷
Im Mai 1949 tritt Artikel 3, Absatz 2 des Grundgesetzes (Deutsche Verfassung) in Kraft. Initiatorin hierfür war Elisabeth Selbert (SPD) im Jahr 1948. Sie setzte sich für die Sicherung der vollständigen Gleichberechtigung im Grundgesetz des Parlamentarischen Rats ein.)⁸ Als eine von 4 Frauen gegenüber 61 Männern.
Die Auslegung verlief über die Jahrzehnte allerdings dynamisch: Das Bundesverfassungsgericht ging zunächst von diversen Geschlechtsunterschieden aus.⁹ Die Rechtsprechung zu Art. 3 Abs. 2 lässt sich für die 50er und 60er Jahre mit dem Schlagwort „Gleichwertigkeit bei Andersartigkeit“ charakterisieren.
In den 1970er und -80er Jahren wurde „Gleichheit“ mit dem Gebot zur Gleichbehandlung stärker betont.
Nach der Deutschen Einheit konstituierte sich 1992 eine neue Verfassungskommission. Sie schlug einzelne Änderungen vor. Zur Ergänzung von Art. 3 Abs. 2 bildete sich ein fraktionsübergreifendes Frauenbündnis. Mit Erfolg. Der Artikel wird 1994 um einen Satz ergänzt: „Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“¹⁰
Meilensteine: Grundgesetz, Partnerschaftsprinzip, Equal Pay
Nach dem zunächst eher symbolisch gehandhabte Artikel 3 Absatz.2 Grundgesetz folgte 1958 das Gleichberechtigungsgesetz. Bis dahin konnte ein Ehemann entscheiden, ob und wo seine Frau arbeiten durfte.¹¹ Zudem war er jederzeit berechtigt, das Arbeitsverhältnis seiner Frau kündigen. Bis 1977 durfte eine Frau in Westdeutschland allerdings nur dann berufstätig sein, wenn das „mit ihren Pflichten in Ehe und Familie vereinbar“ war. Erst mit der Reform des Familienrechts 1977 waren Frauen nicht mehr gesetzlich zur unbezahlten Hausarbeit verpflichtet („Gehorsamsparagraph“). Die Reform strich unter anderem die sogenannte Hausfrauenehe und ersetzte sie durch das Partnerschaftsprinzip.¹² Seitdem gibt es für die Ehe keine gesetzlich vorgeschriebene Aufgabenteilung mehr. 1980 stellt ein Gesetz über die Gleichbehandlung von Männern und Frauen am Arbeitsplatz (EG-Anpassungsgesetz) klar, dass Frauen das gleiche Gehalt für die gleiche Arbeit bekommen müssen.¹³ Zumindest laut Gesetz.
Unbequeme Fragen: Was ist eine Frau?
1949 veröffentlicht Simone de Beauvoir (1908-1986) „Das andere Geschlecht“ in Frankreich.¹⁴ Die zentrale Frage darin lautet: Was ist eine Frau?. Sie lehnte sich gegen die traditionelle Rolle der Frau, als Mutter und Hausfrau. Hält zahlreiche Vorträge: warum Verpflichtungen wie Erziehung und Haushaltsführung nicht alleine Aufgabe von Frauen seine sollten. Ab 1973 setzt sie sich im Austausch für das Recht auf Abtreibung ein und stand im Austausch mit Alice Schwarzer.¹⁵
Was bedeutet Gleichberechtigung?
Ihren Ursprung hat sie in den Ideen von Humanismus und Aufklärung. Die Aufklärung definierte insgesamt die wichtigsten Merkmale der Menschenrechte, etwa ihre Unveräußerlichkeit.¹⁶ Gleichberechtigung wurde zunächst jedoch nur auf soziale Stände (siehe auch Französische Revolution) und Bürgerrechte (unter Ausschluss von Frauen) bezogen. Heute wird der Begriff der Gleichberechtigung vor allem mit
• Feminismus (soziopolitische Strömung mit breiter Auffächerung)
• Emanzipation (Eigenständigkeit)
• Empowerment (Autonomie)
• Diversity (Vielfalt)
• Chancengerechtigkeit
• Inklusion (Einbeziehung)
verbunden.
Feminismus als Treiber der Gleichberechtigung
Die Forderungen der feministischen Bewegung wurden lange von einer Emotion getragen: Wut. Und die war auch nützlich. Freiheitsrechte als Menschenrechte für Frauen zu reklamieren, war zunächst extrem unbequem. Wer Forderungen nach Wahlrecht, Bildung oder Lohngleichheit für Frauen stellte, sägte an den Rollenbildern der Gesellschaft.¹⁷ Inzwischen haben sich feministische Strömungen erheblich diversifiziert. Bekannt sind vor allem
• der liberale Feminismus,
• der Schwarze Feminismus
• der intersektionale Feminismus
• der Queer-Feminismus
• der konservative Feminismus
• der sozialistische Feminismus
• der Ökofeminismus
• der Anarchafeminismus
Ein inklusives Verständnis von Feminismus bedeutet immer, für möglichst viele geschlechtlich oder anders diskriminierte Menschen mehr Gerechtigkeit zu schaffen.¹⁸ Vor diesem demokratischen Hintergrund ist Feminismus für wirklich jede*n interessant.
Intersektionalität – The Intersection of Race and Sex¹⁹
1989 beschreibt Kimberlé Crenshaw (*1959) in ihrem inzwischen berühmten Aufsatz „Demarginalizing the Intersection of Race and Sex“, Diskriminierung funktioniere wie eine Verkehrskreuzung. Ihr Beispiel: Wenn aus allen vier Richtungen Autos kommen und ein Unfall passiert, kann dafür ein*e Verkehrsteilnehmer*in verantwortlich sein oder mehrere, die aus unterschiedlichen Richtungen kamen. Genauso sei es mit der Diskriminierung einer schwarzen Frau: Sie kann als Frau diskriminiert werden (Sexismus), als Schwarze (Rassismus) oder als Schwarze Frau (intersektional).
Third Wave of Feminism: Wir sind mittendrin²⁰
Wir befinden uns mitten in der der third wave of feminism, der dritten Frauenbewegung, die Anfang der 2000er aus den USA bei uns ankam. Die Pionier*innen des third-wave-feminism gehören zu der sogenannten Generation X, die in den 1960er und 70er Jahren in den Industrieländern geboren und in einem kulturell und wirtschaftlich vielfältigen Milieu groß wurde.²¹ Vor allem der emanzipiertere Status von Frauen in Wirtschaft, Beruf und Familie (ein Resultat der second wave of feminism) und die Informationsrevolution des späten 20. Jahrhunderts (massive Ausbreitung von Ideen und Demokratisierung der Bildung) ermöglichten die third wave of feminism. Die Forderungen nach Chancengerechtigkeit im Beruf, Lohngleichheit und Abbau von Rollenbildern wurden unter anderem ergänzt durch Calling out von Alltagssexismus und Machtmissbrauch und dem Aufbrechen stereotyper Leitbilder für Geschlechteridentität
Eine für Alle: Mit den Mitteln des Rechts²²
1956 schaffte es Ruth Bader Ginsberg (1933 bis 2020) als eine von nur neun Frauen auf die Harvard Law School. Sie gilt als eine der wichtigsten juristischen Wegbereiterinnen der amerikanische Frauenrechts- und Gleichstellungsbewegung. Ab 1993 wurde Ginsburg als zweite Frau Richterin am Supreme Court. Im Laufe ihrer Arbeit setzte sie sich in zahlreichen Präzedenzfällen für Gleichberechtigung ein und half so dabei, dass nach und nach zahlreiche Gesetze in den USA geändert wurden. Dabei ging es ihr nicht um eine Besserstellung von Frauen, sondern um das Aufzeigen diskriminierender Strukturen.
Warum ist Gleichberechtigung wichtig?
Der Global Gender Gap Report des Weltwirtschaftsforums (WEF) bildet jährlich den Status der Gleichberechtigung ab.²³ Der Report wird seit 2006 erhoben und vergleicht für inzwischen 156 Länder im Bereiche wie Gesundheitsversorgung, Bildungschancen und wirtschaftliche sowie politische Teilhabe. Island ist erneut das Land mit der größten Geschlechtergleichheit, gefolgt von Finnland und Norwegen. Bisher hat es kein Land geschafft, vollständige Gleichberechtigung zu erreichen. 2021 lag Deutschland auf Platz 11. In der Kategorie „ökonomische Partizipation und Chance“ gab es Platz 62.²⁴
Corona-Pandemie: Stillstand für die Gleichberechtigung
Der Effekt von globalen Krisen ist niemals gender-neutral. Die Pandemie hat in Deutschland und der Welt die Gleichberechtigung der Geschlechter – zumindest vorübergehend – komplett ausgebremst.²⁵ Die Pandemie schlägt vor allem in den Branchen ein, in denen viele Frauen in Teilzeit- und Niedriglohn Modellen arbeiten, wie zum Beispiel der Gastronomie, der Tourismusbranche – und natürlich im Gesundheits-, Bildungs- und Pflegesektor.
Weltweiter Frauenanteil von 70 Prozent im Gesundheits- und Sozialbereich
UN Women weist weltweit einen Frauenanteil von 70 Prozent bei den Beschäftigten im Gesundheits- und Sozialbereich aus.²⁶ Auch in Deutschland zeigen die Daten der Bundesagentur für Arbeit, dass etwa jeweils deutlich über 70 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten²⁷ im Lebensmittel-Einzelhandel, in den Sozialversicherungen, oder den Krankenhäusern weiblich sind. Bei den Kindergärten und Vorschulen sind es sogar über 90 Prozent.
Morddrohungen statt Frauenrechte
Weltweit und auch in Deutschland gibt es politische Strömungen, die konservative Rollenbilder der Geschlechter erhalten wollen. Sie setzen alles daran, weibliche Autorität zu diskreditieren und Frauen die Kompetenz absprechen, Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Recht mitzugestalten.²⁸ Auch aus diesem Grund ist die Gleichheit der Geschlechter ein Punkt, der unmittelbar mit dem Rechtsstaat verwoben ist.²⁹ Sexismus, Rassismus, gemischt mit Morddrohungen: Ein „Trend zum Backlash gegen Frauenrechte“ lässt sich besonders bei der Hetze im Netz beobachten. Die sozialen Medien scheinen wie ein rechtsfreier Raum in dem Frauenhass vor den Augen aller stattfindet und sich potenziert (Stichwort Baerbock und der Wahlkampf 2021).
Von Myanmar bis Afghanistan – Frauen im Widerstand 2022
Seit dem Putsch des Militärs in Myanmar im Februar 2021 treiben überwiegend Frauen den friedlichen Widerstand voran. Gleichberechtigung wurde so zum Thema in der breiten Öffentlichkeit. Videoquellen aus den sozialen Medien zeigen: Immer sind Frauen an vorderster Front mit dabei.³⁰ Die Proteste sind gefährlich. Auch in Afghanistan demonstrieren Frauen mutig für ihre Rechte. Die Machtübernahme durch die Taliban im August und auch die darauf folgenden Sanktionen des Westens haben das Leben aller Menschen in Afghanistan grundlegend verändert.³¹ Sie in ihrem täglichen Leben besonders stark in ihren Rechten eingeschränkt. Bei Protesten verbrennen sie auch Burkas als Zeichen des Widerstands. Auch in Texas³² und Polen gehen Frauen auf die Straße und protestieren für ein Recht auf Abtreibung.
Nicht einschüchtern lassen bis zum Nobelpreis³³
Malala Yousafai (*1997) ist 15 Jahre alt, als sie bei einem Attentat im Oktober 2012 in einem Bus im pakistanischen Swat Distrikt als Vergeltung für ihren Bildungsaktivismus in den Kopf geschossen wird. Heute ist sie die jüngste Preisträgerin des Friedensnobelpreises und Co-Founderin des MALALA Funds für 12 Jahre kostenlose und sichere Bildung für jedes Mädchen der Welt.
Wahlkampfjahr Deutschland 2021: Wenn Frauen Großes wagen
Das Wahlkampfjahr 2021 in Deutschland ist geprägt vom Gesicht eine jungen Frau, Annalena Baerbock. Sie ist Spitzenpolitikerin. Sie hat zwei Kinder. Sie traut sich das Amt der Bundeskanzlerin zu. Im Netz schlägt ihr extremer Hass entgegen. Lügen und ein gefälschtes Nacktbild werden hunderttausendfach geteilt.³⁴ Sie bekommt Personenschutz. Im Wahlkampf stellt Gegenkanditat Armin Laschet (bei einer Talkrunde für die Frauenzeitschrift „Brigitte“), fest: „Das können Sie als Kanzler prägen, vielleicht als Mann mehr als als Frau“.³⁵ Es geht um das Thema Geschlechtergerechtigkeit. Inzwischen bekleidet Annalena Baerbock das Amt der Außenministerin im Kabinett von Bundeskanzler Olaf Scholz.
„Break the Bias“ ist Motto des International Women’s Day 2022
Als der internationale Frauentag Anfang des 20. Jahrhunderts ins Leben gerufen wurde, ging es vor allem um das Wahlrecht für Frauen. Sowohl das Datum als auch die Bedeutung des Frauentags haben sich im Laufe der Geschichte immer wieder verändert.1975 machten die Vereinten Nationen den 8. März zum „Tag der Vereinten Nationen für die Rechte der Frau und den Weltfrieden“.³⁶ Das Motto der UN für den Weltfrauentag 2022 ist „Break the Bias“ ( „Stoppt die Voreingenommenheit“).³⁷ Denn gerade das Aufbrechen von Stereotypen und Rollendenken kann für mehr Gleichberechtigung sorgen. Dabei reicht es noch nicht aus, sich bestimmten Biases bewusst zu sein. Sie müssen aktiv angegangen werden.
Frauen, erhebt euch!
1919 ist Clara Zetkin (*1857 bis 1933) eine der ersten Frauen im deutschen Parlament.³⁸ Sie ist Mitbegründerin des Weltfrauentags und kämpfte unter anderem leidenschaftlich für das Frauenwahlrecht. Sie stellte immer wieder heraus, dass Frauen auch mit gleichem Wahlrecht keine Gleichheit und Freiheit erlangen könnten, solange sie in ökonomischer Abhängigkeit stehen würden.
Was kann man für Gleichberechtigung tun?
Das Ziel der Gleichberechtigung ist es, allen Menschen die gleichen Chancen an allen gesellschaftlichen Bereichen des Lebens zu eröffnen.³⁹ Im Zusammenhang mit Gleichberechtigung wird vor allem das Thema Frauenquote für beispielsweise Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Medien intensiv diskutiert. Bislang ist noch kein wissenschaftlicher Beleg dafür erbracht worden, dass Männer durch Frauenquoten benachteiligt werden.⁴⁰ Und ohne Verpflichtung ändert sich meist nichts.⁴¹
Eine Quote kann strukturelle Benachteiligung zumindest abfedern
Natürlich kann die Quote auch als ein eindimensionaler Hebel wirken, der struktureller Benachteiligung⁴² zwar abfedern, aber nicht beseitigen kann. Strukturelle Benachteiligung beseitigen ließe sich beispielsweise durch ein Paritätsgesetz, um mehr Frauen in politische Gestaltungspositionen zu bringen. Typischerweise geht es dabei um die paritätische Vergabe von politischen Mandaten nach Geschlecht der Kandidaten.⁴³ Solche Gesetze verpflichten Parteien beispielsweise, auf ihren Wahllisten abwechselnd Frauen und Männer aufzustellen. In Deutschland wurden alle Versuche, ein derartiges Gesetz zu beschließen, für verfassungswidrig erklärt.⁴⁴ Allerdings haben einige Parteien freiwillige Kandidatenquoten bei der parteiinternen Kandidatenaufstellung beschlossen.
Mehr Zeit, mehr Gleichberechtigung – die 4-Tage-Woche
Eine isländische Studie⁴⁵ brachte die Diskussion um die Vier-Tage-Woche ins Rollen. 2.500 Berufstätige reduzierten dafür von 2015 bis 2019 ihre Wochenarbeitszeit von 40 auf 36 oder 35 Stunden und arbeiteten nur noch an vier Tagen (bei gleichem Gehalt). Das Ergebnis: Die Leistung und Produktivität blieben gleich oder haben sich sogar verbessert. Vor allem stieg aber das Wohlbefinden der Mitarbeiter*innen. Sie hatten mehr Zeit für ihr Privatleben, waren weniger gestresst und erkrankten seltener an einem Burnout. Klargestellt sei hier, dass es sich bei dem Modell eben nicht um Teilzeit handelt. Teilzeit bedeutet zwar mehr Zeit, aber weniger Geld (hallo Gender Pay Gap) und weniger Rente (hallo Altersarmut). Die deutsche Soziologin Jutta Allmendinger forscht in diesem Zusammenhang. Sie sieht in der Vier-Tage-Woche auch ein Instrument für mehr Gleichberechtigung, vor allem hinsichtlich unbezahlter Sorge- und Familienarbeit.
Verstaubte Rollenbilder abbauen
Hysterische Lehrerinnen, böse Stiefmütter, grobe Väter, Draufgänger-Brüder, schüchterne, dafür fleißige Schwestern. Selbst im Jahr 2022 finden sich in vielen Kinderbücher immer noch Geschlechter-Stereotype. Mädchenfiguren werden tendenziell fürsorglich, Jungenfiguren tendenziell abenteuerlustig dargestellt. Die einen häufig besser in Sprachen, die anderen in Mathematik. Für eine Studie des Dietrich College of Humanties and Social Science wurden in 2021 247 Kinderbücher für Kinder ab 5 Jahren⁴⁶, darunter Klassiker und aktuelle Bestseller, auf Geschlechterdarstellungen für Kinder hin untersucht und gezeigt, dass sich auch heute noch viele Klischees in den Erzählungen finden lassen. Viele tauchen schon in den Wortbeschreibungen rund um die Figuren auf: Mädchen stehen häufiger mit Verben der Zuneigung und der Kommunikation in Verbindung („zuhören“, „erklären“), während sich die Sprache der Jungen häufig auf Arbeit oder Werkzeuge bezieht. Auch in Deutschland zeigte 2019 eine umfangreiche Datenrecherche der Süddeutschen Zeitung zur Kinderbuchliteratur⁴⁷ der letzten fast siebzig Jahre: Bücher, die sich an Mädchen richten, versprechen vor allem Alltag und Emotion; Bücher, die Jungen ansprechen, locken mit Abenteuern.
Hallo Gendersternchen: Inklusion durch Sprache
Dass Sprache Gesellschaft spiegelt, ist ein wissenschaftlicher Fakt. Und so wie eine Gesellschaft dem Wandel unterliegt, so tut es auch ihre Sprache (das deutsche „Fräulein“ wurde beispielsweise 1972 abgeschafft). Feministische und queere Sprachpolitik heute tritt für die sprachliche Sichtbarkeit von Frauen und Diversen ein, die durch das Gendern erreicht wird. Aus diesem Grund ist die Debatte über das Gendersternchen auch eine Debatte über die Gleichberechtigung. Über die Notwendigkeit und richtige Form wird teils erbittert gestritten. Letztlich geht auch darum, das Sagen über das Sagen zu haben („Meinungshoheit über den Stammtisch“).
Mansplaining und Hepeating: Erklär’s mir nochmal in meinen Worten
Wenn Männer ihrem weiblichen Gegenüber ungefragt ihren Job, die Lage der Welt oder sogar ihren Körper noch einmal genauer erklären (ungefragt und ohne Neuinformationen) spricht man von Mansplaining. Diesem Phänomen sind ganze Bücher gewidmet. Die US-Schriftstellerin Rebecca Solnit prägte den Begriff 2008 in ihrem inzwischen berühmten Essay „Men explain things to me“. Die These: Das Mansplaining weist Frauen eine untergeordnet passive Rolle zu.⁴⁸ Es wird der toxischen Männlichkeit zugeordnet. Der Begriff Hepeating ist eine jüngere feministische Schöpfung aus 2017. Ursprung war ein Tweet der amerikanischen Physik- und Atronomiedozentin Nicole Gugliucci.⁴⁹ Hepeating betrifft vor allem auf Arbeits- oder Lernkontexte und beschreibt die Situation, wenn der Vorschlag einer Frau ignoriert wird und ein Mann kurz darauf ähnliches wiederholt und mit Anerkennung oder Zustimmung bedacht wird.
Quellen
¹ https://www.menschenrechte.jugendnetz.de/menschenrechte/artikel-1-30/artikel-1/
² https://www.forschung-und-lehre.de/zeitfragen/gleichstellung-oder-gleichberechtigung-2760
³ https://www.hanisauland.de/node/1981
⁴ https://de.wikipedia.org/wiki/Gleichberechtigung
⁶ https://www.britannica.com/biography/Olympe-de-Gouges
⁷ https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_3.html
⁸ https://www.vorwaerts.de/artikel/elisabeth-selbert-gleichberechtigung-weg-brachte
⁹ https://www.fernuni-hagen.de/rechtundgender/downloads/Art._3.pdf
¹⁰ https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_3.html
¹¹ https://www.bpb.de/politik/hintergrund-aktuell/271712/gleichberechtigung
¹² https://hundertjahrefrauenwahlrecht.de/1977-reform-des-ehe-und-familienrechts/
¹³ https://www.bpb.de/geschichte/zeitgeschichte/deutschland-chronik/131920/13-august-1980
¹⁴ https://www.deutschlandfunk.de/vordenkerin-des-feminismus-102.html
¹⁵ https://frauenmediaturm.de/neue-frauenbewegung/simone-de-beauvoirs-wende-zum-feminismus/
¹⁶ https://www.fluter.de/aufklaerung-0
¹⁷ https://www.teamnushu.de/magazin/feminismus-heute
¹⁸ https://www.teamnushu.de/magazin/feminismus-heute
²⁰ https://www.teamnushu.de/magazin/feminismus-heute
²¹ https://www.britannica.com/topic/feminism/The-third-wave-of-feminism
²² https://en.wikipedia.org/wiki/Ruth_Bader_Ginsburg
²³ https://www.weforum.org/reports/global-gender-gap-report-2021
²⁴ https://www.weforum.org/reports/global-gender-gap-report-2021
²⁵ https://www.dw.com/de/gleichberechtigung-gobal-gender-gap-report-des-weg-zeigt-dass-frauen-benachteiligt-werden/a-57047397; https://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/jutta-allmendinger-zu-retraditionalisierung-ausser-thesen-nichts-gewesen-a-0fa3400e-100e-4883-beee-8726557e1f16; https://www.weforum.org/press/2021/03/pandemic-pushes-back-gender-parity-by-a-generation-report-finds
²⁶ https://www.unwomen.de/newsletter/newsletter-maerz-2020.html
²⁹ https://www.bmj.de/DE/Themen/FokusThemen/NetzDG/NetzDG_node.html
³⁰ https://www.dw.com/de/frauen-stehen-in-myanmar-an-vorderster-front/a-60545266
³¹ https://www.tagesschau.de/ausland/asien/auseinandersetzungen-kabul-101.html
³² https://www.fightbacknews.org/2022/2/2/texas-ut-austin-students-rally-abortion-rights
³³ https://en.wikipedia.org/wiki/Malala_Yousafzai; https://malala.org/
³⁶ https://www.humanresourcesmanager.de/news/frauenrechte-arbeit-letzte-100-jahre.html
³⁷ https://www.internationalwomensday.com/theme
³⁸ https://www.bpb.de/gesellschaft/gender/frauenbewegung/35316/clara-zetkin
⁴⁰ https://www.teamnushu.de/magazin/frauen-in-fuehrungspositionen
⁴¹ https://www.tatsachen-ueber-deutschland.de/de/leben-deutschland/gleichberechtigung-der-geschlechter
⁴² https://www.bpb.de/apuz/31154/50-jahre-gleichberechtigung
⁴³ https://de.wikipedia.org/wiki/Parit%C3%A4tsgesetz
⁴⁵ https://en.alda.is/wp-content/uploads/2021/07/ICELAND_4DW.pdf
⁴⁶ https://en.alda.is/wp-content/uploads/2021/07/ICELAND_4DW.pdf
⁴⁷ https://www.sueddeutsche.de/kultur/kinderbuch-empfehlungen-1.4293650
⁴⁸ https://www.guernicamag.com/rebecca-solnit-men-explain-things-to-me/
⁴⁹ https://www.jetzt.de/gender/hepeating-ist-die-neueste-feministische-wortschoepfung