Was ist gendern und warum ist das wichtig? - teamnushu.de ✨

Geschrieben von nushu rainbow | 28.59.2022

Gegenderte Sprache soll alle Geschlechter in Wort und Schrift sichtbar machen.¹ Gleichzeitig soll eine Wortwahl vermieden werden, die ein einzelnes Geschlecht zur sprachlichen Norm erhebt.² Als geschlechtsneutraler Sprachgebrauch wird eine

sexismusfreie
inklusive
und geschlechtergerechte

Ausdrucksweise bezeichnet. Gendern in der Sprache kann so EIN wichtiger Baustein auf dem Weg zu einer geschlechtergerechten Gesellschaft werden.³ Mögliche sprachliche Mittel sind unter anderem das Gendersternchen oder die Partizipialkonstruktion.

Warum ist Gendern in der Sprache so politisch?

Mittels Sprache können beispielsweise Beteiligungsverhältnisse sichtbar gemacht und Machtgefälle auf- oder abgebaut werden.
Sprache ist als Werkzeug außerdem untrennbar mit unserer individuellen Identität verknüpft. Wir drücken damit aus, was wir denken, was wir uns wünschen und wer wir sind. Vermeintliche Eingriffe in das uns bekannte Sprachgebäude können so als “Angriff” auf unsere Identität und Lebenswelt verstanden werden. Vor allem dann, wenn diese vermeintlichen Eingriffe politisch instrumentalisiert werden.⁴

Das Ziel des Genderns ist Repräsentation aller Geschlechter

Das Ziel des Genderns ist es, alle Geschlechter in gesprochener und geschriebener Sprache zu repräsentieren.⁵

Seit der rechtlichen Einführung der dritten Geschlechtsoption „divers“ im Jahr 2018 (BVerfG Urteil 2017) wird über eine mehrgeschlechtliche Schreibweise (insbesondere das Gendersternchen) diskutiert, die alle Geschlechtsidentitäten einschließt.⁶

Die Frage, wie Frauen und Männer in der deutschen Sprache gerecht repräsentiert werden sollen, gibt es allerdings schon seit den 1960er Jahren. 2008 führt das Europäische Parlament als eine der ersten internationalen Organisationen mehrsprachige Leitlinien⁷ zum geschlechtsneutralen Sprachgebrauch ein. Viele Universitäten und Hochschulen im deutschsprachigen Raum haben sich inzwischen mit Richtlinien zur Form des Genderns in wissenschaftlichen Arbeiten angeschlossen.⁸ In den Wahlprogrammen zur Bundestagswahl 2021 verwendeten SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN konsequent Gendersternchen.⁹

Das generische Maskulinum hat ausgedient

Das sogenannte generische Maskulinum verwendete bislang nur die männliche Bezeichnung, um Personen oder Personengruppen zu bezeichnen.

Beispiele:
Die Wünsche der Mitarbeiter
Der Aufruf der Studenten

Kritiker*innen des Genderns in der Sprache sagen, dass diese Form traditionell gelernt und somit ausreichend ist. Dabei wird übersehen, dass das generische Maskulinum streng genommen schon eine Form des Genderns ist. Es ist also lediglich eine Variation, die zur Norm geworden ist. Diese darf durchaus in Frage gestellt werden.¹⁰

Wie soll ich am besten Gendern?

Beim Gendern werden verschiedene Schreibweisen beispielsweise von Unternehmen, Institutionen oder Medien verwendet. Einen Konsens, welche Schreibweise die beste ist, gibt es noch nicht.¹¹ Kleine Faustregel: Wenn du einen geschlechtergerechten Sprachgebrauch anwenden willst, sind möglichst neutrale Formulierungen dein Ziel.¹²

Die Partizipialkonstruktion

Aus ihr geht keine Information darüber hervor, welches Geschlecht eine beschriebene Person oder Personengruppe hat. Sie gilt zudem als barrierefrei (einfache Lesbarkeit für Menschen mit Seh- oder Lernbeeinträchtigungen), platzsparend und ist von der amtlichen Rechtschreibung abgedeckt. Ihr Nachteil: Sie funktioniert meist nur im Plural.¹³

Beispiele:
Die Wünsche der Mitarbeitenden
Der Aufruf der Studierenden

Die Sonderzeichen beim Gendern

Zum Gendern mit Sonderzeichen zählen das Binnen-I, der Doppelpunkt, der Unterstrich, der Schrägstrich oder das Gendersternchen. Sie gelten als nicht barrierefrei und sind (Stand 2022) bis auf den Schrägstrich nicht von der amtlichen Rechtschreibung abgedeckt.¹⁴

1. Das Binnen-I

Das Binnen-I ist ein Oldtimer der geschlechtergerechten Sprache und war lange Zeit Favorit der feministischen Sprachrevolution.

Beispiele:
Die Wünsche der MitarbeiterInnen
Der Aufruf der StudentInnen

2. Der Doppelpunkt

Inzwischen wird dir beim Gendern auch häufiger der Doppelpunkt begegnen. Dieser kennzeichnet zudem beim gesprochenen Wort die Pause für eine möglichst inklusive Sprache.

Beispiele:
Die Wünsche der Mitarbeiter:innen
Der Aufruf der Student:innen.

3. Der Unterstrich

Auch der Unterstrich (manchmal auch Gendergap genannt¹⁵) wird als Platzhalter für geschlechtsneutrale Personenbezeichnungen verwendet.

Beispiele:
Die Wünsche der Mitarbeiter_innen
Der Aufruf der Student_innen.

4. Der Schrägstrich mit Bindestrich

Die Doppelnennung mit Schräg- und Bindestrich ist als einzige Schreibweise von der amtlichen Rechtschreibung abgedeckt.

Beispiele:
Die Wünsche der Mitarbeiter/-innen
Der Aufruf der Student/-innen.

5. Das Gendersternchen

Das Gendersternchen (auch bezeichnet als Asterisk¹⁶) ist der absolute Favorit der LGBTQIA+. Es dient (Stand 2022) der Abbildung aller möglichen Geschlechtsidentitäten.

Beispiele:
Die Wünsche der Mitarbeiter*innen
Der Aufruf der Student*innen.

Viele nützliche Infos zum gendergerechten Formulieren findest du hier.

In English, please: Verwende they

Willst du im Englischen geschlechtsneutral formulieren, darfst du inzwischen auch das Wort they in der Einzahl (Singular)¹⁷ statt he oder she verwenden.

Beispiel:
The professor said, they liked the student’s approach.

Die American Dialect Society kürte die Einzahl they zum Wort des Jahrzehnts 2010-2019. In 2019 änderte das Merriam-Webster Dictionary seine Definition dahingehend, dass they für eine „einzelne Person, deren Geschlechtsidentität nicht-binär ist“, verwendet werden kann.¹⁸ Geschlechtsneutrale Formen von Berufen werden im Englischen ebenfalls vermehrt eingesetzt:

Beispiele:
waitress / waiter → server
stewardess/ steward → flight attendant
chairman / chairwoman → chairperson

Gendern – Pro & Contra

Gendern in der Sprache will andere dringende Probleme weder verdrängen, noch alle auf einmal lösen. Trotzdem scheint das Bekenntnis zu einem geschlechtergerechten Sprachgebrauch (zumindest im Deutschen) inzwischen zur modernen Gretchenfrage (Stichwort Kulturkampf)¹⁹ mutiert zu sein. Doch so kompliziert muss es gar nicht sein.

Wir haben versucht, die gängigsten Pro/Contra-Argumente logisch zu positionieren. Danach kannst du selbst entscheiden, wie du es mit dem Gendern halten willst.

Gesellschaftlich

Pro:
Gendern macht alle Geschlechter in der Sprache sichtbar und bedeutet ihre legitime Repräsentation.²⁰ Sprache funktioniert hier als Beschleunigerin von Fairness und Inklusion.

Contra:
Es gibt doch weitaus wichtigere Baustellen, um zur gewünschten Geschlechtergerechtigkeit zu gelangen (Stichwort beispielsweise Gender Pay Gap oder Gender Care Gap)

Kompromiss:
Gendern in der Sprache kann EIN Baustein auf dem Weg zu einer geschlechtergerechten Gesellschaft sein.²¹ Auch die Einführung des Frauenwahlrechts vor rund 100 Jahren hat uns nicht automatisch in den Zustand einer geschlechtergerechten Politiklandschaft versetzt (die erste Bundeskanzlerin wurde beispielsweise erst 2005 gewählt). In Kombination bringen uns solche Schritte aber immer weiter.²²

Sprachwissenschaftlich

Pro:
Sprache verändert sich ständig. Wer geschlechtersensibel schreiben und sprechen möchte, findet in den verschiedenen Gendertechniken eine angemessene Lösung.

Contra:
Die Sprachtradition sollte gewahrt bleiben. Die Nutzung spezieller Gendertechniken (wie Sonderzeichen) in der Sprache führt die Aufmerksamkeit auf die technische Ebene und schadet dem Lesefluss²³ und Textverständnis.

Kompromiss:
Veränderung (und deren anfängliche, mitunter heftige Ablehnung) gehören auch in Deutschland zur sprachlichen Entwicklung. Beispiel: Anstatt unverheiratete, weibliche Menschen als „Fräulein“ und nur verheiratete weibliche Menschen als „Frau“ zu bezeichnen, haben wir das Wort „Frau“ von der Bedeutungsebene „verheiratet“ getrennt.²⁴ Zum Weiterdenken: die notwendige Diskussion um rassistische Begriffe in Kinderbüchern.²⁵ Oder ebenfalls: eingedeutschte Anglizismen.

Politisch

Pro:
Die Verwendung von Genderzeichen bedeutet, sich politisch zu positionieren und mit all jenen solidarisch zu erklären, die eine neue Geschlechterordnung leben.²⁶

Contra:
Gendern führt zu Widerstand (“akademisches Elitenprojekt”) und könnte zu einer Rückkehr zu konservativen Wertvorstellungen in Bezug auf Geschlechtergleichheit führen.²⁷

Kompromiss:
Gendern betrifft den Grundwert der Gerechtigkeit. Es ist der Versuch, Sprache ähnlich gerecht zu gestalten, wie wir es uns für unsere Gesellschaft wünschen. Die Nutzung von gendergerechter Sprache ist nicht dogmatisch, sondern kontextabhängig angelegt. Auch der DUDEN spricht nur eine Empfehlung aus.²⁸ Gendern KANN vor allem dann angewendet werden, wenn Kontext und Intention es erfordern. Hier kann die Aufmerksamkeit auf den vermeintlichen “Sprachbruch” nützlich sein.

Wie aktuell, wichtig – und für manche Männer offenbar auch hochsensibel – die Gendern-Debatte immer noch ist, zeigt auch der aktuelle Rechtsstreit zwischen Audi und einem seiner Angestellten: Dieser klagte gegen den Genderleitfaden der Konzernmutter VW, weil er sich davon diskriminiert fühlte – nun urteilte das Landgericht Ingolstadt, dass die Sprachregeln nicht gegen sein Persönlichkeitsrecht verstoßen würden.
Weitere Informationen dazu in einem aktuellen Beitrag der SZ.