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Ein Gesetz für Transparenz und Gerechtigkeit?

Rund um den Equal Pay Day am 17. März war sie wieder in aller Munde: Die Zahl 21. Einundzwanzig Prozent weniger Lohn erhalten Frauen in Deutschland statistisch gesehen als ihre männlichen Kollegen. Umgerechnet sind das 77 Tage, die Frauen unbezahlt arbeiten – also sinnbildlich vom Jahresbeginn bis zum 17. März – während die Kollegen vom Jahresbeginn an bezahlt werden. Es ist also kein Zufall, dass der deutsche Equal Pay Day auf diesen Tag fällt. Natürlich bedeutet das nicht, dass alle Frauen generell 21 Prozent weniger Lohn erhalten; je nach Branche und Beruf gibt es aber doch gravierende Unterschiede, die sich nicht anhand struktureller Umstände begründen lassen. Abhilfe verschaffen, soll hier das „Entgelttransparenzgesetz“, das vor einigen Jahren verabschiedet wurde.


Kira Falter-1

Kira ist Rechtsanwältin bei CMS, einer der größten Wirtschaftskanzleien in Deutschland. Sie lebt und arbeitet in Köln und ist seit Beginn an nushu member. Als Anwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht berät Kira nationale und internationale Unternehmen in allen Fragen des Individual- und Kollektivarbeitsrechts, insbesondere bei der Begründung und Beendigung von Arbeits- und Dienstvertragsverhältnissen, der Vorbereitung und Durchführung von Umstrukturierungen, Outsourcing und Personalanpassungsmaßnahmen.


 

Was hat es mit dem Entgelttransparenzgesetz auf sich?

Das Entgelttransparenzgesetz – abgekürzt EntgTranspG – soll die Entgeltunterschiede zwischen Frauen und Männern bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit beseitigen und so die Chancengleichheit im Betrieb fördern. Das 2017 erlassene Gesetz war vor allem dazu gedacht, Frauen dabei zu unterstützen, den Anspruch auf gleichen Lohn bei vergleichbarer Arbeit leichter durchsetzen zu können. Denn auch bei gleicher Qualifikation und gleichen Merkmalen besteht zwischen Frauen und Männern in Deutschland ein Entgeltunterschied von ca. sechs Prozent.

Wie soll das Gesetz denn Abhilfe verschaffen?

Das Entgelttransparenzgesetz sieht hierfür verschiedene Instrumente vor:

Am bekanntesten ist dabei wohl der normierte Auskunftsanspruch: Nach § 10 Abs. 1 EntgTranspG hast du als Arbeitnehmer*in einen gesetzlichen Anspruch gegen deinen Arbeitgeber, Auskünfte über den Verdienst anderer Mitarbeiter*innen, die mit gleichen (oder gleichwertigen) Tätigkeiten beschäftigt werden, zu erhalten.

Dieser Anspruch bietet dir also die Chance, dich gegen eine etwaige Ungleichbehandlung zu wehren. Allerdings wird der Anspruch durch gleich mehrere Voraussetzungen eingeschränkt:

  • Der Anspruch besteht nur in Betrieben, die mindestens 200 Angestellte beschäftigen.
  • Es müssen mindestens sechs Angestellte des anderen Geschlechts in dem Betrieb tätig sein und einen gleichwertigen Job ausüben.
  • Es werden nur Entgeltregelungen in demselben Betrieb und bei demselben Arbeitgeber erfasst.  Regional unterschiedliche Lohnregelungen bei demselben Arbeitgeber werden regelmäßig nicht mit einbezogen.

Du solltest deinen Anspruch in Textform gegen deinen Arbeitgeber oder gegen den Betriebsrat richten. To-Do hier: Du als Anspruchssteller*in musst eine gleiche oder gleichwertige Tätigkeit benennen.

Dein Arbeitgeber ist bei der Geltendmachung deines Anspruchs verpflichtet, die Höhe des Lohnes der Vergleichsgruppe mitzuteilen. Zudem wird er oder sie dazu verpflichtet, die maßgeblichen Kriterien und das Verfahren der Entgeltfindung hinsichtlich deines eigenen Lohnes und des Lohnes für die Vergleichstätigkeit darzulegen. Du als Anspruchsteller*in erlangst also doppelte Einsicht: Du erhältst Informationen über die Festlegung deines eigenen und des fremden Entgelts.

Sofern sich aus der Auskunft deines Arbeitgebers jetzt ergibt, dass dein Gehalt nicht dem Grundsatz der Lohngleichheit bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit entspricht (weil du weniger verdienst als deine Kolleg*innen der Vergleichsgruppe), hast du die Möglichkeit deinen Arbeitgeber aufzufordern, den Lohn anzupassen, oder – wenn er oder sie das ablehnt – gerichtlich dagegen vorzugehen, indem du entsprechende Ansprüche auf Lohnanpassung, Entschädigung oder Schadensersatz geltend machst.

On the bright side: Dir als Anspruchssteller*in kommt die sogenannte Beweiserleichterung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) zugute. Du hast also nach § 22 AGG lediglich die Indizien, die eine Benachteiligung wegen deines Geschlechts vermuten lassen, darzulegen und nachzuweisen. Dein Arbeitgeber hingegen trägt die volle Beweislast dafür, dass tatsächlich keine Diskriminierung vorliegt. Kommt er oder sie dem Auskunftsverlangen von vornherein nicht nach, wird eine Ungleichbehandlung sogar vermutet!

Außerdem sieht das Gesetz noch weitere Verpflichtungen für Unternehmen vor:

  • Private Arbeitgeber mit mehr als 500 Beschäftigten werden durch § 17 Abs. 1 EntgTranspG dazu aufgefordert, betriebliche Prüfverfahren durchzuführen, um die Einhaltung des Entgeltgleichheitsgebots in ihrem Betrieb zu überprüfen.
  • Sollte dein Arbeitgeber mehr als 500 Arbeitnehmer*innen beschäftigen (und so nach Maßgabe des Handelsgesetzbuches zur Erstellung eines sog. Lageberichtes verpflichtet sein), trifft ihn zudem nach § 21 EntgTranspG die Verpflichtung, einen Bericht zur Gleichstellung und Entgeltgleichheit zu verfassen. Hier werden die Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern und deren Wirkungen sowie ihre Maßnahmen zur Herstellung von Entgeltgleichheit für Frauen und Männer darstellt.

Aber: Solltest du von einer individuellen Lohnungleichheit betroffen sein, kannst du diese Maßnahmen nicht durchsetzen! Es soll lediglich präventiv dafür sorgen, dass Unternehmen bestehende Entgeltunterschiede beseitigen und ihre Verpflichtung zur Förderung der Chancengleichheit ernst(er) nehmen.

Das Entgelttransparenzgesetz

 

Kritik am Entgelttransparenzgesetz

Dass das EntgTranspG einen Beitrag zur Verbesserung der Chancengleichheit leistet, wird von vielen bezweifelt. Bereits vor Erlass des Gesetzes wurde es vielfach kritisiert und für überflüssig oder unzureichend gehalten. Hier eine Übersicht der Argumente:

Kritikpunkt 1: „Es ist überflüssig.“

Teilweise wird argumentiert, dass es dem Gesetz an einem eigenständigen Anwendungsbereich fehlt, da das Prinzip der Lohngleichheit für gleiche oder gleichwertige Tätigkeiten bereits in § 3 Abs. 1 AGG, ebenso wie in § 75 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) verankert sei.

Kritikpunkt 2: „Es geht nicht weit genug.“

Die Regelungen des Gesetzes werden vielfach als unzureichend angesehen, um die bestehenden Entgeltunterschiede zu beseitigen oder jedenfalls zu reduzieren.

Kritikpunkt 3: „Es wird aus Angst um den Job nicht in Anspruch genommen.“

Es wird angenommen, Beschäftigte würden den ihnen zustehenden Auskunftsanspruch aufgrund der Sorge um den eigenen Arbeitsplatz, das Betriebsklima oder aus Angst vor etwaig entstehenden Prozesskosten nicht geltend machen.

Kritikpunkt 4: „Es ist zu unpräzise.“

Einige Kritiker geben zu Bedenken, dass Arbeitgeber sich aufgrund unpräziser Formulierungen im Gesetz ihrer Verantwortlichkeit entziehen könnten.

Kritikpunkt 5: „Freiwillige Prüfverfahren reichen nicht aus.“

Außerdem wird teilweise gefordert, die derzeit noch freiwilligen Prüfverfahren verpflichtend einzuführen. Eine bloße Aufforderung an die Unternehmen sei nicht ausreichend, um eine so weitreichende Frage der Gleichstellung der Geschlechter zu regeln. In diesem Zuge wird auch gefordert, staatliche oder zivilrechtliche Institutionen zu ermächtigen, die Einhaltung dieser Pflicht durchzusetzen.

Kritikpunkt 6: „Kleinere Betriebe werden nicht bedacht.“

Auch wird vielfach kritisiert, dass das Gesetz dem oder der Arbeitnehmer*in zu hohe Hürden auferlegt, da es erst ab einer Betriebsgröße von 200 Mitarbeiter*innen eingreift.

Kritikpunkt 7: „Kleinere Teams werden nicht bedacht.“

Als problematisch wird außerdem die Voraussetzung angesehen, dass mindestens sechs Beschäftigte des anderen Geschlechts in einer vergleichbaren Position tätig sein müssen, bevor der Anspruch geltend gemacht werden kann. Insbesondere in Betrieben und Berufen, in denen Frauen eine „Ausnahmeerscheinung“ sind – und damit noch mehr das Bedürfnis bestehen würde, mindestens den Lohn der männlichen Kollegen zu erhalten – führt dies oftmals dazu, dass diese Mitarbeiterinnen keinen entsprechenden Auskunftsanspruch haben. Das Gesetz geht hier somit ins Leere.

Kritikpunkt 8: „Nicht alle Tätigkeiten sind 1-zu-1 vergleichbar.“

Zudem muss der oder die Anspruchssteller*in darlegen, welche Tätigkeiten und Positionen mit der eigenen vergleichbar sind. Allein das wird bei vielen gar nicht so einfach sein und eventuell schon hier von der Inanspruchnahme des Auskunftsanspruches abhalten.

Kritikpunkt 9: „Unternehmen haben keine Konsequenzen zu befürchten.“

Und zum Schluss: Das Gesetz enthält keine Sanktionen. Das heißt, der Arbeitgeber hat bei einem Verstoß keine weitreichenden Konsequenzen zu befürchten. Arbeitgeber können somit weiterhin mehr oder weniger bedenkenlos Löhne zahlen, die nicht dem Grundsatz der Lohngleichheit bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit – und damit nicht den Zielen des EntgTranspG – entsprechen. Im schlimmsten Fall riskieren sie eine Verurteilung durch ein Arbeitsgericht auf Nachzahlung des zuvor zu wenig gezahlten Lohns; sie stehen dann aber nicht schlechter dar, als wenn sie den entsprechenden Lohn von Anfang an gezahlt hätten.

Das Gesetz ist in jedem Fall ein Anfang und kann dich unterstützen, deine Ansprüche durchzusetzen. Es ist aber leider kein Allheilmittel, um endlich Equal Pay zu erreichen, was eigentlich selbstverständlich sein sollte.

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