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Es gibt enorm viel zu tun!

#ChooseToChallenge. So lautet das Campaign Theme des International Women’s Day, kurz IWD. Am 08.03.2021 wird er zum 111. Mal begangen. Als er Anfang des 20. Jahrhunderts ins Leben gerufen wurde, ging es neben genereller Gleichberechtigung vor allem um das Wahlrecht für Frauen. Mehr als 100 Jahre später beschäftigen wir uns mit ganz anderen Herausforderungen. Aber brauchen wir denn den Tag überhaupt noch? Sollten wir den nicht einfach mal ausfallen lassen? Gibt es nicht sowieso schon genug zu tun? Meine Antworten:  Ja. Nein. Immer!

Die vergangenen Monate, das Jahr 2020, die Pandemie: Flächendeckend wurden die Schwachstellen in sozialen, politischen und wirtschaftlichen Systemen sichtbar. Forscher*innen-Teams und Expert*innen haben interdisziplinär und auf Zahlen und Fakten begründete Sorge, dass die Folgen der Pandemie lokal und global die bisher erlangten Fortschritte auf dem Weg zur Gleichberechtigung der Geschlechter zumindest vorübergehend komplett ausbremsen.

Laut UN Women und UNDP werden bis 2021 rund 435 Millionen Frauen und Mädchen, unter ihnen 60 Millionen in der Altersgruppe von 25 bis 34, von weniger als 1,90 Dollar pro Tag leben. Schätzungsweise 47 Millionen werden unmittelbar durch COVID-19 in die Armut getrieben werden. Zu Buche schlagen hier vor allem der verringerte Zugang zu Bildungsmöglichkeiten, die verschlechterte Gesundheits- und Sozialversorgung und geschlossene Beratungsstellen zu Schwangerschaft und Verhütung.

Der Effekt von globalen Krisen ist niemals gender-neutral

Schon in 2021 kommen laut UN-Analyse auf 100 Männern, die in Armut leben, 118 Frauen. Dieses Verhältnis könnte sich bis 2030 auf 121 Frauen in Armut gegenüber 100 Männern am Rande des Existenzminimums ausweiten. Der Effekt von globalen Krisen ist niemals gender-neutral. Die, in der wir aktuell stecken, trifft – auch ökonomisch – Frauen und Mädchen in der Welt besonders stark.

Im Gegensatz anderen modernen Rezessionen hat die Pandemierezession zu mehr Arbeitsplatzverlusten bei Frauen als bei Männern geführt. Während die 70er Jahre den Beginn von „Mancession“-Zeiten in Branchen wie dem Baugewerbe markierten und auch die Finanzkrise 2008 eher männerdominierte Berufsfelder ausdünnte, trifft die derzeitige „Shecession“ Sektoren wie das Gastgewerbe, die Tourismusbranche und den Einzelhandel hart. Und für den überlebenswichtigen Gesundheits- und Pflegesektor weist UN Women weltweit einen Frauenanteil von 70 Prozent aus.

Auch in Deutschland zeigen die Daten der Bundesagentur für Arbeit, dass es die Frauen sind, die unsere Gesellschaft in existenziellen Lebensbereichen in der Krise am Laufen halten. Über 70 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Lebensmittel-Einzelhandel, in den Kranken- und Rentenversicherungen und den Krankenhäusern sind weiblich. Bei den Kindergärten und Vorschulen sind es sogar über 90 Prozent.

Time Poverty und die Erkenntnis: Modern sieht anders aus 

Neben verlorenen Arbeitsplätzen und sinkenden Einkommen hat die Pandemie auf wirtschaftlicher Ebene für viele Frauen weltweit und in Deutschland auch die Time Poverty erhöht. Sie jonglieren mit erhöhter Betreuungsarbeit zuhause, während sie mit einem geringeren Einkommen zu kämpfen haben. Sie leisten vollzeit-bezahlte Arbeit in überfüllten Haushalten mit Kindern im Homeschooling. Das alles ist schon für zwei Erziehende herausfordernd. Für die 1,5 Mio. Alleinerziehenden in Deutschland – davon übrigens rund 90 Prozent Frauen – ist das schlicht nicht leistbar.

Laut Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung zu Eltern in der Corona-Krise hat sich die Familienarbeitszeit von Vätern zwar täglich um zweieinhalb Stunden auf 5,6 Stunden pro Tag erhöht. Damit tun sie aber immer noch weniger als berufstätige Mutter, die im Schnitt acht Stunden unbezahlte Familienarbeit am Tag leisten. Jede vierte Frau in Deutschland hat laut einer Befragung der Hans-Böckler-Stiftung ihre Arbeitszeit reduziert, bei den Männern war es nur jeder sechste. Auch für die Bertelsmann-Stiftung gaben satte 69 Prozent der interviewten Frauen an, die generelle Hausarbeit zu erledigen, während das bei den befragten Männern gerade mal 11 Prozent sind. Fast die Hälfte der Frauen befürchtet, dass die Familienarbeit künftig überwiegend ihnen zufallen wird und sie damit Abstriche in der Ausübung ihres Berufs in Kauf nehmen müssen.

Ein Rückfall in überholte Muster? Wohl eher ein Sichtbarwerden der ernüchternden Realität: Während in normalen Zeiten Kitas, Dienstleister oder Großeltern viele Aufgaben übernehmen, die als traditionell weiblich gelten, fallen in Krisenzeiten diese Arbeiten scheinbar selbstverständlich wieder den Frauen zu.

Frauen fehlen an den Spitzen

Und gerade jetzt, wo wir in Schlüsselpositionen von Politik und Wirtschaft, dringend weibliche Ideen- und Impulsgeber*innen für eine gleichberechtigte Gesellschaftsorganisation brauchen, setzt man in den börsennotierten Unternehmen in Deutschland offensichtlich lieber wieder auf Thomas, Michael und Stefan in den Führungsspitzen. Die Krise macht besonders deutlich, dass Vielfalt in Führungsriegen bei den deutschen Unternehmen noch immer nicht als strategisches Ziel gelernt ist. Der Frauenanteil in den Vorständen der DAX-Konzerne sinkt im Vergleich zum Vorjahr um 1,9 Prozent auf den Stand von 2017 bei 12,8 Prozent.

Die Allbright-Stiftung sieht Deutschland in ihrer aktuellen Studie zum Frauenanteil in unseren DAX-Vorständen sogar auf dem „Sonderweg“. Und meint dies nicht als Kompliment. Laut Studie lassen sich in Deutschland im Krisenjahr zwei Mechanismen beobachten: eine Verkleinerung der Vorstände und der Rückgriff auf Gewohntes, Vertrautes, »Altbewährtes«: Man setzt auf Männer. Elf deutsche Dax-Konzerne haben noch immer einen rein männlichen Vorstand. Auch in der Königsdisziplin gestalterischer Verantwortung, nämlich in der Politik, liegt der Frauenanteil mit 30,9 Prozent so niedrig wie seit der Wahlperiode 1998 bis 2002 nicht mehr.

Let’s challenge together!

Ohne regulierende Eingriffe werden die pandemiebedingten Einschnitte für Frauen in Deutschland und der Welt für Jahrzehnte empfindliche Konsequenzen auf ihre Erwerbsverläufe haben. Lange Pausen in der Erwerbstätigkeit, Teilzeitarbeit, niedrigere Vergütung, Rentenausfälle – all dies erhöht das Risiko der Altersarmut bei Frauen gegenüber dem der Männer. Eine erste Schätzung der UN Women geht davon aus, dass von den Maßnahmen, die von Regierungen weltweit zur Bewältigung der COVID-19-Krise ergriffen wurden, weniger als 1 von 5 gender-sensitive, also Maßnahmen zur Unterstützung von Familien für die Vereinbarkeit von bezahlter und unbezahlter Arbeit, einschließlich des Pflegebedarfs, waren.

Unter dem Hashtag #ChooseToChallenge sind zum IWD 2021 alle dazu eingeladen, Bilder mit hochgereckter Hand aus der ganzen Welt zum Internationalen Frauentag teilen. Bilder, um das Bewusstsein der Welt für die Themen und Missstände zu schärfen, die Frauen und Mädchen weltweit betreffen. Bilder, um die ungleich verteilte Arbeitslast in der Pandemie zu unterstreichen. Bilder, um die Errungenschaften von Frauen weltweit hervorzuheben und zu feiern. Also, lasst uns unsere Hände heben und challengen, was das Zeug hält. If we choose to challenge together, we can change the world!

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