Female Leadership bezieht sich auf Frauen in Führung in verschiedenen Kontexten, beispielsweise in Politik, Wirtschaft und Medien. Je nach Blickwinkel kann Female Leadership die Frage nach Führungsstilen oder Führungsdynamiken im Team ebenso einschließen wie besondere Herausforderungen für Frauen in Machtpositionen, Rollenbilder oder die Notwendigkeit einer Frauenquote.
Female Leadership setzt auf die Umverteilung von Macht
Female Leadership als Begriff zielt auch auf die Generierung von Aufmerksamkeit für strukturelle Missstände in einer Gesellschaft¹ ab. Er unterstreicht die Notwendigkeit, mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen (beispielsweise durch entsprechende Gesetzgebung) und stellt heraus, dass es hierfür genügend geeignete Frauen gibt². Vereinzelte Studien zu Female Leadership legen nahe, dass Frauen aufgrund bestimmter Eigenschaften einen anderen, “besseren” Führungsstil an den Tag legen als Männer. Letzteres ist wissenschaftlich allerdings nicht belegt.
Was macht weibliche Führung aus?
Führungseigenschaften sind keine Frage des Geschlechts, sondern der Persönlichkeit. Studien zeigen zuverlässig³, dass jedes Geschlecht eine Vielzahl von Führungsstilen annehmen kann. Außerdem spielen individuelle Erfahrungen (beispielsweise Sozialisation) oder auch Kontextfaktoren (beispielsweise im Unternehmen) eine Rolle dabei, wie eine Führungskraft ihre Position füllt.
Reinhören: Deep Dives zu Female Leadership im nushu podcast
- Mehr zu Female Leadership und der Transformation eines Großkonzerns gibt es für dich in Folge #77 von “Female Business: Der nushu podcast” mit Claudia Oeking, Geschäftsführerin von Philip Morris Deutschland und Beirätin der “Beyond Gender Agenda”⁴.
- In Folge #79 von “Female Business: Der nushu podcast” teilt Topmanagerin und Business Angel (“Höhle der Löwen”) Dagmar Wöhrl ihre Insights zu Diversität in Gründungsteams und gibt dir Tipps für die eigene Finanzierungsrunde⁵.
- Die Marktmacht der Frauen steht im Mittelpunkt von Folge #100 von “Female Business: Der nushu podcast”. Mit Nadine Wiegratz, verantwortlich für Employee Engagement und D&I bei Stepstone, und Dr. Tobias Zimmermann, Researcher und Arbeitsmarktexperte bei Stepstone, geht es um die Zukunft des Recruiting und einen Ausblick in die Arbeitswelt 2042⁶.
Female Leadership gegen veraltete Rollenbilder
Female Leadership kann den Abbau von Stereotypen zu weiblichen und männlichen Führungsstilen (Beispiel: “Männer sind machthungrig, Frauen führen ausgleichend.”) fördern⁷. Führung war lange traditionell männlich besetzt, die dafür als erforderlich angesehenen Eigenschaften (Durchsetzungsfähigkeit oder Zielgerichtetheit) wurden ebenso bei Männern (Stichwort Rollenbilder) verortet und in ihrer Sozialisation entsprechend gefördert⁸.
Der “Gender Diversity Index 2022” analysierte unter anderem Pressemitteilungen über weibliche und männliche Führungskräfte. Das Fazit: Bei der Ernennung weiblicher Führungskräfte werden durchschnittlich drei bis fünf Kompetenzen mit Fokus auf Talent- und Projektmanagement erwähnt. Bei den männlichen Kollegen sind es im Schnitt sechs Kompetenzen mit Fokus auf Leadership⁹.
Female Networking: Frauennetzwerke als Karriere-Booster
Wenn es darum geht, mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen, spielt die Sichtbarkeit von weiblichen Vorbildern eine wichtige Rolle. Karrierenetzwerke für Frauen (wie nushu) können also ein wichtiger Hebel sein, um den Anteil von Frauen in Führungspositionen zu erhöhen. Sie verfolgen oftmals übergeordnete, geschlechterpolitische Ziele und sehen sich als Teil einer globalen Bewegung unter dem Dach Female Empowerment¹⁰. Waren Frauennetzwerke in Deutschland vor 30 Jahren eher informell und räumlich (Lokalvernetzung) ausgerichtet, hat das Thema zielgerichtete Vernetzung unter Frauen (Stichwort Mentoring) für die Karriereentwicklung in der letzten Dekade und zuletzt während der Pandemie starken Auftrieb erfahren.
Frauen in Führung – Leadership Gap in Deutschland
Frauen in Führungspositionen sind in Deutschland weiterhin unterrepräsentiert. Auch Parität in deutschen Gründungsteams wird – gemessen am status quo – erst Mitte des 22. Jahrhunderts erreicht¹¹. Gründe dafür sind unter anderem Gender Care Gap, Teilzeitfalle und Gender Bias in Jobprofilen, Kompetenzzuschreibung, Beförderungsprozessen und Investor*innenentscheidungen.
Gleichstellungspolitik ist Wirtschaftspolitik
Die Gleichstellung der Geschlechter ist auch von gesamtwirtschaftlicher Bedeutung¹². Bereits 2017 stellte eine Studie von Initiative Chefsache in Aussicht, dass das BIP bis 2025 um 422 Milliarden Euro (+12 Prozent) gegenüber den Basisprognosen steigen könnte, wenn Frauen tatsächlich gleichberechtigt am Erwerbsleben teilnähmen¹³. Zudem ist belegt, dass Unternehmen mit hoher Genderdiversität innerhalb der Führungsebene eine signifikant größere Wahrscheinlichkeit (25 Prozent) haben, überdurchschnittlich profitabel und besser im Krisenmanagement zu sein¹⁴.
EU: Gleichstellung in MINT-Berufen würde BIP pro Kopf um 10 Prozent steigern
Das Europäische Institut für Gleichstellungsfragen (EIGE) analysierte zudem in einer Simulationsstudie, welche Auswirkungen die Reduzierung des Geschlechtergefälles bei der Ausbildung in MINT-Fächern, bei der Arbeitsmarktpartizipation sowie bei Löhnen und Gehältern¹⁵ hätte. Demnach wäre eine verbesserte Geschlechtergleichstellung innerhalb der EU in den MINT-Berufen mit der Schaffung von bis zu 10,5 Millionen zusätzlichen Arbeitsplätzen und einem Anstieg des EU-weiten BIP pro Kopf von bis zu knapp 10 Prozent bis 2050 verbunden¹⁶.
Es ist genügend weiblicher Nachwuchs vorhanden
Statistische Erhebungen zeigen sehr verlässlich, dass die “Talent Pipeline” an Frauen gut gefüllt ist. Laut EU-Bericht “She Figures 2021” steigt die Zahl der Bachelor-, Master- und Promotionsabsolventinnen kontinuierlich an. Auch die BCG Gender Diversity Studie Deutschland 2020¹⁷ hält dazu fest: Für die Top Jobs sind genügend Frauen vorhanden – auf der ersten und zweiten Ebene unter dem Vorstand ist die Frauenquote beispielsweise doppelt so hoch wie im Vorstand.
Public Women-on-Board-Index: Frauenanteil steigt um 1,1 bis 1,2 Prozent
Der PWoB-Index von FidAR ist das einzige Ranking der größten öffentlichen Unternehmen (Bund und Länder) nach dem Frauenanteil in Aufsichtsgremien und Top-Management. Dieser stieg in 2022 in den Aufsichtsgremien um 1,1 Punkte auf aktuell 35,8 Prozent und in den Geschäftsführungen um 1,2 Punkte auf 23,2 Prozent. Von einer paritätischen Führungs-Teilhabe sind die Unternehmen der öffentlichen Hand also noch weit entfernt¹⁸.
Die Gesetzgebung hat mit dem zweiten Führungspositionengesetz (FüPoG II) zwar Regelungen getroffen, die zu einer signifikanten Verbesserung der gleichberechtigten Teilhabe führen sollen (beispielsweise Mindestbeteiligungsgebot). Die gewünschte Pull-Wirkung bleibt bislang leider aus.
Privatwirtschaft: Unternehmensgröße hat Einfluss auf Frauenanteil in Führung
Der Informationsdienstleister CRIF hat zum Weltfrauentag 2022 2,5 Millionen Führungspositionen in 1,2 Millionen Unternehmen ausgewertet. Der durchschnittliche Anteil von Frauen in Spitzenpositionen nimmt laut Auswertung erst kontinuierlich ab und steigt dann bei den Großunternehmen wieder an. Während in kleinen Firmen mit bis zu zehn Mitarbeiter*innen mehr als jede vierte Führungskraft eine Frau ist (27,6%), sinkt die Chefinnenquote bei Unternehmen mit 101-500 Angestellten auf 12,3%. Erst ab einer Unternehmensgröße von mehr als 10.000 Mitarbeiter*innen steigt der Anteil von Frauen in Führungspositionen wieder.
Politik: Frauenanteil im Bundestag bei 34,9 Prozent
Der Frauenanteil im Bundestag liegt seit der vergangenen Bundestagswahl im September 2021 bei 34,9 Prozent (inklusive Bundestagspräsidentin Bärbel Bas). Das sind immerhin 4 Prozent mehr als nach der Wahl in 2017²⁰. Eine verbindliche Paritätsgesetzgebung (“Hard Law”) wurde in 2022 inzwischen zum dritten Mal im Bundestag diskutiert, allerdings ohne konkretes Ergebnis. Auf Sachverständigen-Ebene stehen sich zwei Lager gegenüber. Gegner*innen einer direkten Gesetzgebung wollen den Hebel lediglich über “Soft Law” setzen ( beispielsweise durch neue Elternzeit-Regelungen im Abgeordnetengesetz oder verbindliche Selbstregulierung im Parteiengesetz)²¹.
Medien: Wie sieht es aus in den Führungsetagen von taz, FAZ und Co.?
2012 fanden sich laut Gleichstellungsinitiative ProQuote Medien e.V. nur 2 Prozent Frauen in den Chefredaktionen der deutschen Tages- und Wochenzeitungen. Im selben Jahr forderte ProQuote deshalb in einem offenen Brief 30% Frauenanteil, inzwischen nicht weniger als Parität (50 Prozent) für die höchsten Posten der deutschen Medienlandschaft. Im Ranking der neun deutschen Leitmedien steht die taz in 2023 mit 64,2 Prozent Frauen auf Führungsebene auf Platz 1. Ganz anders sieht es bei der FAZ aus. Die Tageszeitung landet mit 23,9 Prozent auf Platz 9 von 9 Plätzen. Die ZEIT (46,3 Prozent), STERN (42,4 Prozent), SPIEGEL (42 Prozent) und SZ (39 Prozent) belegen das obere Mittelfeld. Die WELT (32 Prozent), BILD (30,9 Prozent) und Focus (28,3 Prozent) orientieren sich lieber nach unten²².
Warum sind Frauen in Führungspositionen unterrepräsentiert
Wer sich fragt, wann endlich mehr Frauen in Führungspositionen kommen, stößt schnell auf den Gender Care Gap, Teilzeitfalle, Rollenbilder und Diskussionen über Quoten. Frauen, vor allem Mütter, arbeiten deutlich häufiger in Teilzeit und Niedriglohnsektoren. Sie pausieren für die Kinderbetreuung auch deutlich länger im Arbeitsleben als Männer²³.
Teilzeit kann negative Effekte auf Karriere und Altersvorsorge haben
Teilzeit wird zur Falle, wenn sie dauerhaft bei niedriger Stundenzahl ausgeübt wird. Sie hat dann negative Effekte auf das Einkommen, die Altersvorsorge, oder auch die Karriereentwicklung (Rückkehr in Vollzeit oder Aufstieg in höhere Positionen)²⁴. Beinahe viermal so viele Frauen wie Männer arbeiten in Deutschland aktuell in Teilzeit; zudem sind 65 Prozent der geringfügig entlohnten Beschäftigten zwischen 15 und 65 Jahren weiblich²⁵. Weniger Rentenpunkte (Gender Pension Gap) erhöhen mit fortschreitender Dauer das Risiko von Armut im Alter.
Gläserne Decke und der sog. Thomas-Kreislauf (Similar-to-me-effect)
Selbst wenn Frauen voll erwerbstätig und maximal qualifiziert in den Wettbewerb um Führungsposten einsteigen wollen, treffen sie auf Hindernisse. Zu Faktoren, die Frauen vom Zugang zu Führungspositionen abhalten, zählt vor allem eine männerdominierte Kultur in Unternehmen, die sich auch in Beförderungen oder in unflexiblen Arbeitszeitmodellen spiegeln können. Auch für Gründerinnen wirkt sich der Similar-to-me-effect negativ aus. Vor allem in den Finanzierungsrunden.
Die ewige Quotendiskussion
Auf Unternehmensebene kann die Quote ein wirksamer Hebel sein, um Gläserne Decke und Thomas-Kreislauf aufzubrechen. Bislang ist noch kein wissenschaftlicher Beleg dafür erbracht worden, dass Männer durch Frauenquoten benachteiligt werden. Auch das gängige Argument, dass nicht genügend weiblicher Nachwuchs für Führungsposten vorhanden wäre, greift viel zu kurz.
Wie kommen mehr Frauen in Führungspositionen?
Quoten allein, flexible Arbeitszeitmodelle und Vielfalt als unternehmerische Strategie reichen auf dem Weg zu mehr Frauen in die Führung nicht aus. Damit Führungspositionen und eigene Unternehmensgründung den Frauen in der Wirtschaft auch wirklich chancengerecht offenstehen, braucht es paritätische Elternzeitmodelle, verbesserte Infrastrukturen der Kinderbetreuung und die Abschaffung steuerlicher Fehlanreize wie das Ehegattensplitting²⁶.
Kinderbetreuung und Elternzeitmodelle
Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik, Familien- und Gesundheitspolitik können nicht mehr getrennt betrachtet werden. Eine wesentliche Lehre der Corona-Pandemie ist die extrem hohe Bedeutung der externen Kinderbetreuung für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Langfristig sollte die Politik mehr Anreize für eine partnerschaftliche Aufteilung der bezahlten Erwerbs- und unbezahlten Sorgearbeit setzen, zum Beispiel durch eine Reform des Ehegattensplittings, höhere Tariflöhne für Berufe in Bildung, Pflege und sozialer Arbeit, bessere Unterstützung von Familien-Modellen jenseits der Institution Ehe.
Kritische Öffentlichkeit ist gefordert
Historisch betrachtet ist die Rücknahme der Frau für das Wohl der Familie eine Selbstverständlichkeit. Die Organisationsmodelle einer modernen, auf Gleichberechtigung ausgelegten Gesellschaft, sollten andere Lösungsansätze bieten. Eine kritische Öffentlichkeit, die Chancengleichheit und Vielfalt in der Führung von den Unternehmen, Medien, Wissenschaft und Politik einfordert, kann diesen Prozess beschleunigen.
Female Leadership – Diversity wins
Diversity ist ein gesellschaftspolitisches und organisatorisches Konzept, das die Vielfalt der Menschen als Ressource für Wandel und Fortschritt sieht. Dies können sich auch Unternehmen zu Nutzen machen. Denn die Faustregel lautet: Je diverser, desto erfolgreicher.
Quellen
¹ https://www.teamnushu.de/magazin/gleichberechtigung
² https://www.neuenarrative.de/magazin/female-leadership-braucht-fuehrung-ein-geschlecht
; https://www.lhh.com/de/de/blog/fuehren-frauen-anders-als-maenner/ ; https://www.teamnushu.de/magazin/frauen-in-fuehrungspositionen
⁴ https://www.teamnushu.de/podcast/female-leadership-eine-chance-fuer-transformation
⁶ https://www.teamnushu.de/podcast/die-marktmacht-der-frauen
⁷ https://www.bpb.de/gesellschaft/gender/frauen-in-deutschland/49400/fuehrungspositionen
⁸ https://www.neuenarrative.de/magazin/female-leadership-braucht-fuehrung-ein-geschlecht
¹⁰ https://www.teamnushu.de/about/frauennetzwerke
¹¹ https://www.teamnushu.de/magazin/frauen-in-fuehrungspositionen
¹⁴ https://www.mckinsey.de/news/presse/2020-05-19-diversity-wins
¹⁵ https://www.teamnushu.de/magazin/lohngerechtigkeit-entgelttransparenzgesetz
¹⁷ https://www.bcg.com/de-de/woman-up-bcg-gender-diversity-index-germany-2020
¹⁸ https://wob-index.de/pwob.html#excerpts
¹⁹ https://www.bcg.com/de-de/woman-up-bcg-gender-diversity-index-germany-2020
²¹ https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2022/kw41-pa-wahlrechtskommission-913464
²² https://mailchi.mp/pro-quote/proquote-stammtisch-am-27052020-auf-zoom-16821758?e=5f5116f071
²³ https://www.teamnushu.de/magazin/teilzeitfalle
²⁶ https://www.teamnushu.de/magazin/frauen-in-fuehrungspositionen